Corydalis cava. Hohler Lerchensporn. Papaveraceae.

Botanical name: 

Name: Corýdalis cáva (L.) Schweigg. et Körte (= C. tuberosa DC., = C. bulbosa Pers., = Fumaria cava Mill., = F. bulbosa a cava L., = Pseudofumaria major Borkh., =Capnoides cava Moench, - Borkhausenia cava Gaertner, Meyer, Scherbius). Hohler Lerchensporn, Hohlwurz. Französisch: Bec d'oie, poulette, damotte; englisch: Hollowroot-birthwort.

Namensursprung: Corydalis siehe C. formosa; cava = hohl. Lerchensporn wegen der gespornten Blüte, Hohlwurz wegen der zur Blütezeit hohlen Wurzelknolle.

Volkstümliche Bezeichnungen: Mit Bezug auf Form und rote Blütenfarbe: Hähncher, Hahneknöchelcher, Hahnekehlche (rheinisch), Hahner, Hahnerl, Giggerahahner (bayrisch-österreichisch), Guli (= Hahn), Güggel-Blueme, -Maie(n), Gügarügü (Schweiz), Henna (Schwäb. Alb), Hendl (Oberösterreich), Bibahendl (Niederösterreich), Henna (St. Gallen), Rote und Weiße Hahner (Tirol, Salzburg), Hühner und Hahnen (Oberösterreich), Enl und Anl = Großvater und Großmutter (Oberösterreich), Mannesschüeli [weißblühend], Frauenschüeli [rotblühend] (Schaffhausen), Zottelhosen, Hosenzottele (Kärnten), Hösele (Schweiz), Burgerschlüssel (Kärnten), Liebe Herrgottsschüele (Elsaß), Walperkern, -körner [Walpurgis = 29. April] (Gotha), Gugger-, Gugguche(n)-Blueme (Schweiz).

Botanisches: Corydalis cava ist ausdauernd, wird 10-30 cm hoch und hat eine etwa walnußgroße, braune Knolle, die bald hohl wird. Der Stengel ist aufrecht, fleischig, grün bis rotbraun, kahl, ohne Schuppen mit zwei gestielten, doppelt-dreizähligen, kahlen, blaugrünen Laubblättern. Die Blütentraube ist endständig, ziemlich gedrungen, reichblütig. Blüten trübrot oder gelblichweiß, 18-28 cm lang, mit tief ausgerandeter Unter- und Oberlippe und langem, am Ende abwärts gekrümmten Sporn, harzig riechend, von großen, eiförmigen, ganzrandigen Tragblättern gestützt. Nektarsporn an der Spitze nach abwärts gekrümmt, dem Blütensporn innen angewachsen. Schoten blaßgrün. Samen schwarz, fast kugelrund mit Anhängsel. Blütezeit März bis Mai. Die Pflanze hat ihre Heimat in Süd- und Mitteleuropa. Sie wächst meist herdenweise in lichtem Gebüsch, in Vorhölzern, unter Hecken, an Zäunen, in Obst- und Baumgärten, in Laub- (besonders Buchenwäldern), in Auen und Weinbergen und liebt frischen, fetten Boden. Sie wird vom Vieh nicht gern gefressen, obgleich sie keine nachhaltige Wirkung zu haben scheint. Die eigenartige Form der Blüte bedingt es, daß sich die besuchenden Bienen an jüngeren Blüten mit Pollen beladen, den sie auf der Narbe älterer wieder absetzen, so wird in der Regel Kreuzung getrennter Stöcke erreicht, da die Pflanze in hohem Maße selbststeril ist. Die Knolle war früher als Radix Aristolochiae cavae offizinell.

Geschichtliches und Allgemeines:

Unsere Pflanze wird von Matthiolus zu Fumaria gestellt. Er schreibt, daß noch bei Plinius und Aetius die Pflanze als Capnos Chelidonia oder Hirundinaria bezeichnet worden wäre, und daß sie eine Zeitlang als "runde Hohlwurz" gebraucht worden wäre, d. h. also wie Aristolochia rotunda. Auch Bock führt diese Unterschiebung an und wendet sich energisch dagegen, daß "wir alles annehmen und glauben, was wir hören von diesen prestigiatoribus und gauckelmännern".

Wirkung

Matthiolus (Matthiolus, Kreuterbuch, 1563, S. 407 c.) nennt den hohlen Lerchensporn an Wirkung dem Erdrauch verwandt. Der Same wird den Kindern eingegeben, "die gebrochen seyn". Er wirkt kräftig gegen Würmer und böse Schäden. Er ist gut bei Geschwülsten der Mandeln, bei Hämorrhoiden "übergelegt mit der Salbe Populeo".

Lonicerus (Lonicerus, Kreuterbuch, 1564, S. 208.) erwähnt die Pflanze nur bei der Besprechung von Aristolochia rotunda, führt aber keine spezifische Wirkung an.

Bock (Bock, Kreutterbuch, 1565, S. 287.) sagt, die Hohlwurz "würt zu vielen presten / innerlich und eüsserlich des leibs genützt". Im einzelnen nennt er sie als Mittel gegen Gift, Pestilenz, als stark schweißtreibend, als harntreibend, gegen die Gelbsucht. Die gestoßenen Samen sind "gut dem stätigen Bauchfluß". Äußerlich sei sie heilsam gegen allerlei fließende Schäden.

Johnson-Gerard (Johnson-Gerard, History of plants, 1597-1633.) bezeichnen den Lerchensporn als Radix cava major und erwähnen seine Anwendung bei alten und lange dauernden Schwellungen der Mandeln, ebenso gegen schmerzhafte Schwellungen der Hämorrhoiden. Innerlich wirkt er als Purgans.

v. Haller (v. Haller, Medicin. Lexicon, 1755, S. 135.) bezieht den Namen Hohlwurzel auf Fumaria bulbosa, also wohl auf unsere Pflanze, und bezeichnet ihre Heilkräfte als denen der Osterluzei-Arten gleich. Besonders rühmt er ihre Wirkung in der Geburtshilfe.

Geiger (Geiger, Handb. d. Pharm., 1839, II, S. 1598.) kennt die Verwendung von Corydalis cava nur noch in der Tierheilkunde.

Dragendorff (Dragendorff, Die Heilpflanzen der versch. Völker u. Zeiten, 1898, S. 250.) führt die Knolle als Emmenagogum und Anthelmintikum an.

Verschiedene Corydalisarten, darunter auch Corydalis bulbosa, Corydalis remota, Corydalis decumbens und Corydalis ambigua werden in China (Tsutomu Ishidoya, Chinesische Drogen, Teil II, S. 164.) schon seit langem unter dem Drogennamen Jen-hu-so als Mittel gegen Dysmenorrhöe und Lendenschmerzen und als Karminativum gebraucht.

Corydalis cava enthält eine Reihe von Alkaloiden, von denen die folgenden acht pharmakologisch näher erforscht sind: Bulbocapnin, Corydalin, Corybulbin, Isocorybulbin, Corydin, Corytuberin, Corycavamin, Corycavin. Bulbocapnin ruft am Kaltblüter morphinartige Narkose mit zuerst eintretender Erregung und dann folgender Lähmung des Rückenmarks und Schwächung der allgemeinen Reaktionsfähigkeit des Herzens bis zum diastolischen Stillstand desselben hervor. Am Warmblüter erzeugt es eine an Katalepsie erinnernde Aufhebung der willkürlichen wie reflektorischen Bewegungen bei erhaltenem Tonus und Statik der Muskulatur und bei bestehender Perzeption sensibler Reize, ferner Steigerung der Tränenund Speichelsekretion, Schädigung der muskulo-motorischen Apparate des Herzens und Verlangsamung der Atmung (Mode, Dissert. Berlin 1892, zit. nach Mercks Jahresber., 29, 150, 1916; F. Peters, Dissert. Marburg; ders., Arch. f. exp. Path. u. Pharm., 54, 130, 1904, zit. nach Heffter-Heubners Handb. d. exp. Pharm., Bd. II, 2, S. 1089.). Von de Jong und Baruk (de Jong et Baruk, La Catatonie expérimentaler par la Bulbocapnine, Paris, Masson & Cie.) wurde nachgewiesen, daß sich die Wirkungen des Bulbocapnins bei Tieren, z. B. Affen, von einfachem Schlaf über Katalepsie bis zu Krämpfen steigern lassen, wie das in gleicher Weise bei kataleptischen Patienten beobachtet werden kann. Hund und Katze sind bulbocapninempfindlicher als Schaf und Ziege (Kok u. van Harreveld, Dtsch. tierärztl. Wschr. 1934, S. 813.). Es gilt als das einzige Narkotikum für Katzen.

Das Corydalin hat eine dem Bulbocapnin verwandte, aber schwächere Wirkung. Warmblüter werden auch durch große Dosen nur schwach betäubt. Die Atmung wird nicht beeinflußt. Corybulbin und Isocorybulbin wirken ebenso. Corydin erzeugt am Frosch zuerst Narkose, darauf eigenartige, spontane Bewegungen, als drittes Stadium Erlöschen der Reflexe und nach 2 cg Tod. Das Herz verhält sich wie bei den schon genannten Alkaloiden. Die Warmblüter zeigen Salivation, Erbrechen, Stupor, Verlangsamung der Atmung und schließlich Atemstillstand, Steigerung des Blutdruckes unter Pulsverlangsamung. Corytuberin ruft am Warmblüter Salivation, Erbrechen, Steigerung der Reflexerregbarkeit und Krämpfe, schließlich Tod durch Atemstillstand hervor. Es ist auf den Blutdruck ohne Einfluß. Corycavamin und Corycavin erzeugen tonisch-klonische Krämpfe, vermehrte Speichel- und Tränensekretion und Senkung des Blutdruckes. Auf das Herz wirken sie wie Corydalin, nur stärker (Vgl. 9).). In neuester Zeit beschäftigen sich Chen, Anderson und Chon mit der Pharmakologie der Corydalisalkaloide (K. K. Chen, Robert C. Anderson and T. Q. Chon, Chin. J. Physiol., 11, 7-11, 15. 1. 1937, Indianopolis U.S.A. Lilly Res. Labor; Peking (Peiping) National Acad. Inst. of Materia medica, Shanghai (C. C. 1937).).

Das therapeutisch am meisten verwendete dieser Alkaloide ist das Bulbocapnin. Von verschiedenen Autoren ist auf seine Bedeutung bei der Behandlung des besonders bei Paralysis agitans und Parkinsonismus auftretenden Zitterns aufmerksam gemacht worden (de Jong u. Schaltenbrand, Klin. Wschr. 1924, Nr. 45; A. Fröhlich, Wien. klin. Wschr. 1932, 51, 1564; Schaltenbrand, Med. Welt 1934, Nr. 3, S. 100; Gentile, Ber. über die ges. Physiologie 1934, Bd. 76, S. 573.). Nach Bing (Bing, Schweiz. med. Wschr. 1934, Nr. 17, S. 384.) ist auch bei dem mit Tremorerscheinungen einhergehenden Schreibkrampf ein Versuch in Erwägung zu ziehen.

Neuere Forschungen von Brücke (Franz Th. Brücke, Beiträge z. Pharmakologie des Bulbocapnins in Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1935, Bd. 179, S. 523.) "legen es nahe, das Bulbocapnin zusammen mit Schlafmitteln oder mit Skopolamin klinisch in solchen Fällen zu versuchen, in denen der Schlaf durch motorische Unruhe bzw. durch Aufregungszustände gestört ist; dabei käme die geringe Toxizität des Bulbocapnins und der Mangel einer Gewöhnungsgefahr unterstützend in Betracht."

Von W. S. Thacker Neville (Thacker Neville, British Medical Journal 1931, II, S. 54.) wird das Bulbocapnin als Spezifikum für den Menièreschen Symptomenkomplex angesehen. 0,1 g täglich per os genügt bereits, um Schwindelanfälle zu verhüten.

Auch K. Vogel (Vogel, Fortschr. d. Medizin 1931, Nr. 10, S. 389.) hatte bei zahlreichen Fällen von Menièrescher Erkrankung, die durch Adrenalin nicht beeinflußt werden konnten, Erfolg.

Im Hinblick auf die katatonische Wirkung des Bulbocapnins dürfte interessant sein, daß nach S. Gulotta (Gulotta, Bolletino della socièta italiana di biologia sperimentale 1930, Bd. 5, S. 504.) eine halbe Stunde nach der intravenösen Injektion in der Dosis von 0,0015 g pro kg in fünf Fällen von Dementia praecox eine Senkung des Calciumspiegels eintrat.

Versuche mit der Pflanze in meinem Laboratorium führten zu folgenden Ergebnissen:

Zerkleinerte Wurzelknollen von Corydalis cava wurden mit physiologischer Kochsalzlösung zu gleichen Teilen 5 Minuten extrahiert. Dieser Extrakt tötete Mäuse bei intravenöser Gabe in Dosen von 0,2 ccm schlagartig. Bei subkutaner Applikation von 0,5 ccm traten nach etwa 20 Minuten starke epileptiforme Krämpfe auf. Bei diesen Tieren trat der Tod nach 40 Minuten ein. Bei kleineren Dosen (bis 0,2 ccm) werden die Mäuse 10 Minuten nach der Injektion apathisch, dann treten - besonders bei den Dosen 0,3 und 0,4 ccm - kurzdauernde Schüttelkrämpfe auf. Die Bauchmuskulatur ist dabei so stark gespannt wie im Endstadium einer Tetanustoxinintoxikation. Die Krämpfe können nicht selten durch akustische und physikalische Reize ausgelöst werden. Bei häufiger künstlicher Auslösung solcher Krämpfe können Tiere im akuten Krampfanfall sterben, ähnlich wie Tiere, die Ruhrbakterientoxin erhalten haben. Nach etwa 2 Stunden treten die Krampfanfälle spontan seltener auf. Die Tiere liegen apathisch im Käfig, ohne sich spontan zu bewegen und ohne Nahrungsaufnahme. Die Muskulatur scheint in diesem Zustand wenig leistungsfähig oder doch stark ermüdbar zu sein. Die Tiere halten sich, im Gegensatz zu normalen, nur ganz kurze Zeit an einem senkrechtstehenden Drahtgitter fest, während normale Tiere daran herumklettern. Bei kräftigen Tieren dauert der Zustand etwa 6, bei schwächeren über 8 Stunden. Schädliche Nachwirkungen wurden bei den Tieren nicht beobachtet.

Die verwendeten Knollen wurden für diese Versuche Anfang Juli geerntet. Standort der Pflanzen: Lehmbodenkultur Radebeul bei Dresden.

Anwendung:

Zu versuchen bei Paralysis agitans, Menièrescher Krankheit und Dementia praecox.

Angewandter Pflanzenteil:

Nur Matthiolus und Bock erwähnen die Samen, sonst werden allgemein die Wurzelknollen genannt, und zwar sagt Thoms ausdrücklich "die in der Vegetationsruhe gesammelten". Aus diesem wird auch das "Teep" hergestellt.

Dosierung:

Übliche Dosis:
0,1 g täglich Bulbocapnin (Thacker Neville).
1 Tablette der Frischpflanzenverreibung "Teep" dreimal täglich.
(Die "Teep"-Zubereitung ist auf 10% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,025 g Bulb. Corydal. c.)

Maximaldosis:

Nicht festgesetzt.

Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.