Gnaphalium polycephalum. Vielköpfiges Ruhrkraut. Compositae.

Botanical name: 

Name: Gnaphálium polycéphalum Michx. Vielköpfiges Ruhrkraut. Französisch: Gnaphalium, le cotonnière; englisch: Sweet-scented everlasting flower, common everlasting, Indian posey, Indian tobacco; italienisch: Gnáfalio.

Namensursprung: Ableitung zu Gnaphalium siehe Gnaphalium arenarium; polycephalum = vielköpfig.

Botanisches: Die Gnaphaliumarten, zu denen unsere Pflanze gehört, haben reichblütige Köpfchen, deren Blüten alle röhrenförmig sind. Die Randblüten sind klein und weiblich, die mittleren zwittrig. Die Hülle besteht aus trockenhäutigen Hüllblättern, die dachziegelartig in mehreren Reihen stehen. Der Fruchtboden ist flach, die Früchte sind stielrund oder abgeflacht. Der Haarkelch besteht aus nur einer Reihe von Borsten. Es sind wollige Kräuter mit sitzenden oder herablaufenden Blättern und büscheligen oder doldig angeordneten Blütenköpfchen. Die Blumenkrone ist weiß oder gelblich. Das Vielköpfige Ruhrkraut ist eine wollige, einjährige, bis zu 90 cm hohe, wohlriechende Pflanze mit lanzettlichen Blättern. Diese sind gewellt, nicht herablaufend, oberseits kahl und nach unten verschmälert. Die Blütenköpfe stehen büschelig gehäuft an der Spitze von Ährigtraubig angeordneten Zweigen. Die Köpfchen sind vor dem Aufblühen eiförmig, später verkehrt-eiförmig. Die Hüllblätter sind weißlich, länglich-eiförmig und etwas abgestumpft. Die Köpfchen enthalten nur wenig Zwitterblüten. Die Pflanze ist beheimatet in Nordamerika, wo sie auf minderwertigen Äckern und in Wäldern überall zu finden ist.

Geschichtliches und Allgemeines:

Nach McGeorge ist Gnaphalium bei den Negern ein oft angewandtes Mittel gegen Erkältungen, Fieber und nächtlichen Schweiß. Die ersten ausführlicheren Angaben über die Pflanze in der Homöopathie bringen Hale (New. Remed., 1873, S. 2444) und Millspaugh (Am. Med. Plants I, S. 89, 1887).

Wirkung

In ihrer nordamerikanischen Heimat findet die Pflanze als Diuretikum und zu Kataplasmen bei Tympanitis Anwendung (Dragendorff, Heilpfl. d. versch. Völker u. Zeiten, S. 667.).

In der deutschen Literatur wird nur Gnaphalium arenarium, mit der sie viel Ähnlichkeit, auch in der Wirkung, hat, erwähnt (vgl. Gnaph. aren.).

Homöopathisch geprüft wurde das Mittel zuerst von Woodburg; Raue empfahl es gegen arthritische Schmerzen in den Zehen und gegen Ischias (Woodburg, Raue, zit. b. Bruckner, Hale's New Remedies, 1869, S. 34.).

Die letztere Indikation nennen auch Stauffer und Hughes-Donner (Hughes-Donner, Einf. i. d. hom. Arzneimittell., S. 131; Stauffer, Klin. hom. Arzneimittellehre, S. 489.).

Als Bestandteil ist bisher nur eine aromatische Substanz angegeben worden (Smythe, Amer. J. of Pharm. 1890, S. 121.).

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:

Gnaphalium polycephalum wird gelobt wegen seiner vortrefflichen Wirkung gegen Ischias+). Man verordnet es besonders dann, wenn die Schmerzen hinunter bis in den Fuß ausstrahlen und Parästhesien am Fuße (Pelzigkeitsgefühl oder Taubheitsgefühl) auftreten.

Rheumatismus der Arme und Beine, Arthritis urica (Podagra), Lumbago und Neuralgien, insbesondere beiderseitige Trigeminusneuralgie in der Oberkiefergegend, sprechen günstig auf das Mittel an. Doch wurden bei Gicht auch Mißerfolge beobachtet.

Seltener wird es bei wäßrigen Diarrhöen (hier in kleinen Gaben), Prostatahypertrophie und -entzündung (hier durch eine Lehmpackung unterstützt) gegeben.

Vereinzelt wird es bei Dysmenorrhöe und Harnverhaltung genannt. Als Wechselmittel sind Aconitum, Colocynthis und Rhus toxicodendron zu empfehlen. An Stelle von Gnaphalium polycephalum kann auch die einheimische Droge Gnaphalium arenarium (vgl. dort) mit Erfolg angewendet werden.

+) Beispiele für die Anwendung:

I. Fall P. L. Polier im Alter von 50 Jahren, der aus gesunder Familie stammt, nie an besonderen Krankheiten gelitten hat, erkrankte im Frühjahr bei dauernder Kanalbetonierungsarbeit an einer heftigen linksseitigen Ischias, die ihn zwar nicht ans Bett fesselte, aber doch am Besteigen von Bauten usw. stark behinderte. Er hat bis Ende September 1934 allerlei versucht, zahlreiche synthetische Präparate gebraucht, einen Erfolg aber nicht erreicht.

Befund: Kräftiger, hagerer, muskulöser Mann in sonst einwandfreiem Gesundheitszustand.

Diagnose: Linksseitiger Ischias.

Therapie: Gnaphalium polycephalum "Teep" D 1, dazu Ableitung auf die Haut durch Cantharoplast in der üblichen absteigenden Form:

1. Plastron in Hüfte;
2. im obersten Oberschenkeldrittel;
3. im unteren Unterschenkeldrittel;
4. Kniekehle;
5. Wade.

Nach der vierten Cantharoplast-Applikation unter gleichzeitiger interner Medikation von Gnaphalium polycephalum hat Patient keine Schmerzen mehr, nur noch Schwere und Taubheitsgefühl im Bein. Nach der fünften Cantharoplastapplikation wurden weiterhin in achttägigen Zwischenräumen drei Injektionen von Acidum formic. A.M. D 3 zu je 1 ccm intramuskulär verabreicht, dazu ebenfalls weiterhin noch Gnaphalium polycephalum. Die schwach auftretende Reaktion bewies an sich schon die weitere Heilwirkung. Patient ist nach zweimonatiger Behandlung als genesen zu betrachten.

II. (Nach Schier, "Allgemeine Homöopathische Zeitung" 1935, Heft 4, S. 197.) Frau A., 28 Jahre alt, Ischias seit drei Wochen. Am 27. September Gnaphalium D 2 im zweistündlichen Wechsel mit Rhus toxicodendron D 3. Nach neun Tagen sind die Schmerzen verschwunden, auch der Achilles-Sehnenreflex ist wieder da.

Angewandter Pflanzenteil:

Die frische, blühende Pflanze wird allgemein zur Herstellung der Arzneien verwendet. Angaben darüber u. a. bei Clarke, Donner, Heinigke und Stauffer. Auch das "Teep" wird aus der frischen, blühenden Pflanze ohne Wurzel bereitet. Die homöopathische Essenz nach dem HAB. hat den gleichen Ausgangsstoff (§ 3).

Dosierung:

Übliche Dosis:
1 Tablette der Frischpflanzenverreibung "Teep" fünfmal täglich.
(Die "Teep"-Zubereitung ist auf 10% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,025 g Gnaphalii polycephali. Bei sehr schweren Fällen von Ischias können gute Erfolge mit aufund absteigenden Kuren - "Teep" 0 bis D 1 bis D 2, D 2 bis D 1 usw. erzielt werden. In acht- bis zehntägigem Abstand gibt man in solchen Fällen je eine intramuskuläre Injektion von Acidum form. D 4 oder unterstützt die Gnaphaliumbehandlung durch Anwendung von Cantharoplast.)

In der Homöopathie:

dil. D 2, mehrmals täglich 10 Tropfen.

Maximaldosis:

Nicht festgesetzt.

Prüfung am Gesunden:

6 Prüflinge nahmen auf meine Veranlassung Gnaphalium polycephalum "Teep" D 2-0 (je 3 Tabletten). "Teep" D 2 und D 1 machten keine Erscheinungen. "Teep" 0 wirkte auf Magen und Darm. Die Beschwerden wurden als unbestimmt angegeben, "Herumwalken im Magen und Leib" oder dergleichen. In einem Falle trat schon nach der ersten Gabe Übelkeit auf, in einem anderen schon nach der ersten Gabe Durchfall. In zwei weiteren Fällen Übelkeit und Leibkneifen. In zwei Fällen keine Erscheinungen.


Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.