Parietaria officinalis. Aufrechtes Glaskraut. Urticaceae.

Botanical name: 

Name: Parietária officinális L. (= P. officinalis, L. var. erecta Weddell, = P. erecta Mert. et Koch). Aufrechtes Glaskraut. Französisch: Pariétaire vitrole, aumure, herbe aux nonnes, casse-pierre, perce muraille; englisch: Pellitory; italienisch: Vitriola, murajola, calataria, parietaria; dänisch: Sankt Peders Urt, Springknass; polnisch: Pomurnek, Sklennek; russisch: Pomurnaja trawa; tschechisch: Drnavec lékařský; ungarisch: Falfü.

Namensursprung: Parietaria ist von dem lateinischen paries, Gen. parietis = Wand abgeleitet und nimmt Bezug auf das Vorkommen der Pflanze am Fuße und in den Spalten von Mauern. Der Name Glaskraut oder Glasschmelz rührt davon her, daß man das Kraut früher zum Reinigen von blinden Gläsern benutzte. Auf das Reinigen von Fensterscheiben weist auch der italienische Name vitriola hin.

Botanisches: Die Pflanze wird 30-100 cm hoch und ist ausdauernd. Sie hat einen aufrechten, meist einfachen Stengel, der kurz-flaumig behaart und brüchig ist. Die gestielten Laubblätter sind eiförmig bis eiförmig-lanzettlich, bis 10 cm lang, lang zugespitzt, am Grunde verschmälert, ganzrandig, glasartig-glänzend und fast kahl. Die Blüten stehen in gedrängten, blattwinkelständigen, knäuelförmigen Trugdolden. Diese sind kugelig und kürzer als der Blattstiel. Die sitzenden Tragblätter sind kürzer als die Blüten. Weibliche Blüten mit röhrig-bauchiger, an der Spitze kurz vierzähniger, eng anliegender Blütenhülle. Männliche Blüten mit vierblättriger Blütenhülle und mit vier Staubblättern. Staubblätter anfangs wie Uhrfedern gespannt, beim Aufblühen sich elastisch gerade streckend. Fruchtknoten einfächrig. Nüsse 2-2,5 cm lang. Perigonblätter der weiblichen und Zwitterblüten nach der Blüte meist nicht verlängert. Die Pflanze ist im ganzen Mittelmeergebiet heimisch und kommt zerstreut in Mitteleuropa vor. Die anthropophile Art tritt nicht selten in Ortschaften verwildert auf. Sie enthält salpetersaures Kali und Schwefel. Blütezeit: Juli bis Oktober.

Geschichtliches und Allgemeines:

Das in der heutigen Medizin fast obsolete Glaskraut war früher ein beliebtes Wundheilmittel und Diuretikum, das als Heilpflanze viel in den Gärten angepflanzt wurde. Der holländische Arzt Boerhaave machte mit Parietaria folgende Beobachtung: Eine junge Hündin suchte sich, sowie sie losgelassen wurde, Glaskraut und verzehrte ganze Bündel der Pflanze. Als man sie in der Wohnung festhielt, starb sie, und man fand bei der Untersuchung des Körpers eine große Zahl von Steinen in der Harnblase. Boerhaave schloß hieraus, daß die Anwendung des Glaskrautes von Nutzen bei Nierensteinen sein müsse.

Wirkung

Dioskurides (Berendes, Des Dioskurides Arzneimittell., S. 418.) schreibt von einer Parietariaart, vermutlich Parietaria diffusa oder judaica L. oder Parietaria ramiflora Moench: "Die Blätter haben kühlende, adstringierende Wirkung, daher heilen sie als Umschlag Rose, Geschwülste, Brandwunden, beginnende Drüsenverhärtungen an Scham und Achseln sowie jegliche Entzündungen und Ödeme. Ihr Saft mit Bleiweiß gemischt hilft als Salbe bei Rose und kriechenden Geschwüren, in kyprische Wachssalbe oder Bocksfett aufgenommen gegen Podagra. Ferner hilft der Saft, etwa ein Becher voll geschlürft, bei chronischem Husten, ebenso ist er heilsam bei entzündeten Mandeln als Gurgelmittel oder als Salbe. Mit Rosenöl eingetröpfelt lindert er Ohrenschmerzen."

Als Resolvens, Diuretikum und Wundheilmittel ist die Pflanze Dragendorff (Dragendorff, Die Heilpfl. der versch. Völker u. Zeiten, S. 180, 1898.) bekannt.

In der brasilianischen Medizin wird sie ebenfalls als Diuretikum und bei Nephro- und Cystolithiasis gebraucht (Guertzenstein, ärztlicher Führer durch die brasilianische Pflanzenmedizin, S. 236.).

Leclerc (Leclerc, Précis de Phytothérapie 1927, S. 49.) ist der Ansicht, daß die oft vertretene Meinung, daß sie diuretisch völlig wirkungslos sei, nicht zutrifft. Er hält im Gegenteil den Infus des Glaskrautes für ein brauchbares Diuretikum.

Die Pflanze enthält u. a. Bitterstoff und Gerbstoff (Zörnig, Arzneidrogen, Bd, II, S. 332.).

Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):

Polen: Als Blutreinigungsmittel.

Ungarn: Gegen Rotlauf, Husten, Nierensteine und Rheuma, ferner als Wundheilmittel.

Anwendung:

Parietaria officinalis wirkt diuretisch und wird bei Blasen- und Nierenleiden verordnet. Auflagen der Blätter dienen zur Wundbehandlung.

Angewandter Pflanzenteil:

Als verwendet wird das Kraut bezeichnet (Clarke, Zörnig, Hager, Thoms). Das HAB. erwähnt das Glaskraut nicht. Zur Bereitung des "Teep" wird das frische Kraut verwendet.

Dosierung:

Übliche Dosis:
2 Tabletten der Frischpflanzenverreibung "Teep" dreimal täglich.
(Die "Teep"-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt d. h. 1 Tablette enthält 0,125 g Hb. Parietariae.)

Maximaldosis:

Nicht festgesetzt.

Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.