Vincetoxicum. Schwalbenwurz. Asclepiadaceae.

Botanical name: 

Name: Víncetoxicum officinále Moench (= Cynanchum vincetoxicum R. Br.). Schwalbenwurz, St. Lorenzkraut. Französisch: Dompte venin; englisch: Swallows wort; italienisch: Vincitossico, erba seta, asclepide; dänisch: Svalerod; litauisch: Kregždūne; polnisch: Ciemiezyk; russisch: Lastowień; schwedisch: Tulkört; tschechisch: Tolita.

Weiteres Vorkommen: Westasien (bis Himalaja u. Altai). Nordafrika.

Namensursprung: Der Gattungsname Vincetoxicum, der bei Caesalpinus für den Schwalbenwurz-Enzian gebraucht wurde, setzt sich aus dem lateinischen vincere = besiegen und toxicum = Gift, als Bezeichnung für eine Pflanze, die als Antidot wirkt, zusammen. Der Name Schwalbenwurz ist eine Übersetzung des mittellateinischen Namens der Pflanze hirundinaria, vom lateinischen hirundo = Schwalbe, in bezug auf die Ähnlichkeit der mit einem Haarschopf versehenen Samen mit fliegenden Vögeln.

Botanisches: Die ausdauernde, 30-120 cm hohe Pflanze mit schwindender, durch zahlreiche Adventivwurzeln ersetzter Primärwurzel ist von Osten her nach Mitteleuropa eingewandert. Ihre einfachen, stielrunden und hohlen Stengel sind flaumig behaart. Die gegenständigen Laubblätter sind unten am Stengel gestielt und rundlich dreieckig, oben gestielt lanzettlich bis lineal-lanzettlich. Die hellgelblichen bis grünlichen Blüten sind zu blattachselständigen Blütenknäueln vereinigt. Vincetoxicum officinale ist je nach den standörtlichen Verhältnissen sehr veränderungsfähig. An trockenen, sonnigen Orten treten Individuen mit dichten, knäueligen Trugdolden auf, oder die ganze Pflanze ist purpurn überlaufen. An schattigen Orten wieder wird die Behaarung der Blätter und Stengel dichter. Im allgemeinen jedoch bevorzugt die bodenbefestigende Pflanze sonnige, trockene Schutthalden auf kalkhaltiger Unterlage. Blütezeit: Juni bis August.

Geschichtliches und Allgemeines:

Die Wurzel von Vincetoxicum, die zu den beliebten Arzneimitteln zählte, war früher als Radix Vincetoxici seu Hirundinariae offizinell. Auch heute noch wird sie im Volke als diuretisches und purgierendes Mittel benützt und findet auch in der Veterinärmedizin in gleicher Weise Verwendung.

Die als giftverdächtige Pflanze wird von Pferden nur gefressen, wenn sie vom Frost beschädigt ist, Schafe und Rinder verschmähen sie, während die Ziegen die äußersten Sprossen ohne Schaden genießen.

Wirkung

Die Wurzel von Vincetoxicum wird von Lonicerus (Lonicerus, Kreuterbuch, 1564, S. 209.) als bewährtes Diuretikum, als Emmenagogum und Wundmittel wie auch gegen Bisse giftiger Tiere, Bauchgrimmen, das blühende Kraut gegen geschwollene Brüste und "faule schäden" gerühmt.

Die gleichen Indikationen gibt Bock (Bock, Kreutterbuch, 1565, S. 66.) an, während

Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 280.) besonders die Gift vertreibende Wirkung lobt und die Wurzel auch bei Ohnmacht und Herzzittern, den Samen bei Steinleiden verwandt wissen will.

Warme Anerkennung findet die Schwalbenwurz bei v. Haller (v. Haller, Medicin. Lexicon, 1755, S. 759.), der ihr starke diuretische und diaphoretische Wirkung zuschreibt, infolge deren sie imstande sei, "die gefährlichste Gifte hiziger Krankheiten, der Pest, und giftiger Thiere auszutreiben"; er hält sie auch für nützlich gegen Würmer, Kolik, Ohnmacht, Herzklopfen und "in den beschwerlichsten Engbrüstigkeiten". Er erklärt die Wirkung so, daß sie "denen Adern einen starken Reiz geben und die zähen Säfte sehr verdünnern kan".

Bei Wassersucht wird Vincetoxicum von Pitschaft, einem Mitarbeiter Hufelands (In Hufelands Journal, Bd. 75, III., S. 96.), empfohlen.

Die in China bekannte Droge Pai-wei, als deren Stammpflanze Stuart Vincetoxicum artratum vermutet, wird gegen Beschwerden des Puerperium und der Gravidität, ferner als Febrifugum und Wundheilmittel gebraucht (Tsutomu Ishidoya, Chinesische Drogen, Teil II, S. 66.).

Hübotter (Hübotter, Beitr. z. chinesischen sowie tibetisch-mongolischen Pharmakologie, S. 73, Berlin 1913.) gibt als Indikationen der mongolischen Medizin an: "Heilt die Galle und blutigen Durchfall." Vincetoxicum acuminatum nennt er als Fiebermittel.

Von homöopathischer Seite wird Vincetoxicum officinale auch bei Diabetes genannt (Kafka, Transactions of the International Homoeop. Convention 1886.).

Die Wurzel wirkt in kleinen Dosen purgativ, in größeren (0,2 g) emetisch (Schulz, Wirkg. u. Anwendg. d. dtsch. Arzneipfl., S. 142.).

Die Wirkung beruht vorwiegend auf dem Gehalt an Asclepiadin (Gram, Arch. f. exp. Path. 1885, Bd. 19, S. 389; Kübler, Arch. Pharmaz. 1908, Bd. 246, S. 660.) und Vincetoxin (Glykoside) und der saponinähnlichen Asclepiinsäure (Thoms, Handb. d. pr. u. wiss. Pharm., Bd. V, S. 1483.).

Franzen (Franzen, Naunyn-Schmiedebergs Arch. 1930, Bd. 148, S. 211.) fand, daß die Samen von Vincetoxicum die Herztätigkeit digitalis- und strophanthusartig beeinflussen.

Auch Kionka (Kionka, Die deutsche Heilpflanze, Jahrg. 2, Nr. 4.) gelang es, aus den Samen der verwandten Art Vincetoxicum autumnale (Hundsbiß), die botanisch und im Bau der Früchte und Samen den Strophanthusarten sehr nahesteht, Extrakte zu gewinnen, welche dem Strophanthus analoge Wirkungen auf das Herz ausüben.

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:

Vincetoxicum soll - wie der Name besagt - das Toxin besiegen. Zu berücksichtigen als Diaphoretikum, Diuretikum bei Nierenleiden, hydropischen Beschwerden (auch kardialem Hydrops), als Purgans und Emmenagogum, ferner bei alten Geschwüren, die nicht heilen wollen, und zur Blutreinigung.

Angewandter Pflanzenteil:

Nur die alten Kräuterbücher wissen neben der Wirkung der Wurzel auch von der des Krautes und der Blumen zu berichten.

In der späteren Literatur ist nur der Wurzelstock als verwendet erwähnt: Geiger, Zörnig, Thoms, Schulz.

Das HAB. schreibt zur Gewinnung der Essenz die frischen Blätter vor (§ 2). Das "Teep" wird aus dem frischen Wurzelstock mit anhängenden Wurzeln hergestellt.

Dosierung:

Übliche Dosis:
1 Tablette der Frischpflanzenverreibung "Teep" dreimal täglich.
(Die "Teep"-Zubereitung ist auf 1% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,0025 g Rhiz. Vincetoxici.)

In der Homöopathie:

dil. D 3.

Maximaldosis:

Nicht festgesetzt, doch erregen schon Gaben von 0,2 g Erbrechen Schulz).

Rezepte:

Bei Herzwassersucht (nach P. Flämig):

Rp.:
Rhiz. Vincetoxici . . . 20 (= Schwalbenwurz)
Rad. Levistici . . . 15 (= Liebstöckelwurzel)
Bacc. Juniperi . . . 10 (= Wacholderbeeren)
Rad. Ononidis . . . 25 (= Hauhechelwurzel)
Fol. Betulae . . . 30 (= Birkenblätter)
M.f. species.
D.s.: 1 Teelöffel voll auf 2 Glas Wasser, vgl. Zubereitung von Teemischungen S. 291.
Rezepturpreis ad chart. etwa -,90 RM.

Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.