Clematis recta. Aufrechte Waldrebe. Ranunculaceae.
Name: Clemátis récta L. (= C. erecta All., = Anemone recta E. H. L. Krause). Aufrechte Waldrebe. Französisch: Clématide droite; englisch: Upright virgin's bower; italienisch: Vitalbino, fiammola; dänisch: Skovrauke; norwegisch: Klematis; polnisch: Powojnik; russisch: Kosa Bogorodicy; tschechisch: Plamének primy; ungarisch: Bércse.
Weiteres Vorkommen: Nördliches gemäßigtes Asien.
Namensursprung: Clematis (griechisch χληματ_ς) ist der Name verschiedener Schlinggewächse bei den Griechen und wird von χλ_μα (kléma) = Sprosse, Ranke abgeleitet; recta = gerade in bezug auf den aufrechten Stengel.
Botanisches: Die ausdauernde, bis 150 cm hohe, nicht kletternde, krautige Pflanze mit knotig walzigem Wurzelstock gedeiht mit Vorliebe auf Kalkboden an trockenen, buschigen Abhängen und Felsen Süd- und Mitteleuropas und Nordasiens. Große Stromläufe wie Elbe, Weichsel, Donau u. a. scheinen ihr besonders gut zuzusagen. Im Süden und Osten der Alpen tritt Clematis oft als Begleiter der Flaum- oder Schwarzeiche auf. Blütezeit: Juni bis Juli.
Geschichtliches und Allgemeines:
Die Clematis erecta wurde zuerst von Platearius, einem Arzte der salernitanischen Schule, im 13. Jahrhundert erwähnt. Matthiolus bringt eine gute Abbildung der Pflanze, aus der er das destillierte Wasser gewann, dessen Schärfe ihm bekannt war. Tabernaemontanus nennt sie Flammula Jovis. Ein mit den Blättern bereitetes Öl wurde damals gegen Ischias und Nierensteine gerühmt. Die Pflanze geriet dann in Vergessenheit, bis Störck im Jahre 1769 wieder die Aufmerksamkeit auf sie lenkte. Das frische Kraut diente als blasenziehendes Mittel, den ausgepreßten Saft und den Aufguß der trockenen oder frischen Blätter benutzte man gegen Krebsgeschwüre. Wegen ihrer blasenziehenden Eigenschaft wird die Waldrebe von Bettlern häufig zum Simulieren gebraucht.
Wirkung
Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 327.) berichtet, daß aus dem Clematiskraut hergestellte Pillen als Diaphoretikum bei Febris quartana verordnet werden, während das zerquetschte Kraut, auf die Haut gelegt, ätzend, blasenziehend und geschwürerweichend, das Öl gegen Hüft- und Gliederweh, erschwertes Harnen und Lendenstein wirkt.
Auch v. Haller (v. Haller, Medicin. Lexicon, 1755, S. 431.) zählt es zu den Rubefazientien und Vesikantien, die oft "große Dienste tun, insofern sie den Zufluß von edleren Teilen auf unedlere ableiten".
Als harn-, schweiß- und stuhltreibendes Mittel wird Clematis recta von Hecker (Hecker, Handb. d. pract. Arzneimittell., 1814, Bd. I, S. 641.) erwähnt, der die Blätter auf Störcks Empfehlung hin bei venerischen Krankheiten, Exostosen, Knochenschmerzen, Geschwüren u. a. Affektionen syphilitischen Ursprungs, aber auch bei nichtsyphilitischen Ulzerationen, namentlich krebsartigen, und bei Karzinom selbst, ferner bei chronischen Exanthemen, Krätze, harten Geschwülsten, schließlich bei Melancholie und heftigem Kopfschmerz anwandte, bei Hautleiden auch äußerlich.
Osiander (Osiander, Volksarzneymittel, 1829, S. 18.) berichtet von der volkstümlichen Verwendung als blasenziehendes Mittel,
während die heutige Volksmedizin den innerlichen Gebrauch bei chronischem Ekzem, auch luischen Ursprungs, bei Arthritis, nächtlichen luischen Knochenschmerzen und karzinomatösen Geschwüren bevorzugt (Schulz, Wirkg. u. Anwendg. d. dtsch. Arzneipfl., S. 111.). Auch Geßner (O. Geßner, Die Gift- und Arzneipflanzen von Mitteleuropa, S. 244, Heidelberg 1931.) kennt die volkstümliche Anwendung bei chronischen Hautleiden, Gicht, Rheumatismus und Gelenkleiden.
In der tschechischen Volksmedizin wendet man Clematis recta nach Dostál wie folgt an:
Nach Veleslavín (2) machte man aus der Waldrebe Pillen, "welche das Unvermögen den Harn zu halten", beseitigte; ferner verwendete man sie gegen Steinbildung und Geschwüre. Die gebrühten Blätter legte man auf Verbrennungen, Geschwüre und eitrige Wunden (1). Innerlich wird der Aufguß von den Blättern oder Blüten zwei- bis dreimal täglich ½ Tasse bei heftigen Kopfschmerzen, bei Gelenkrheumatismus, Syphilis, Anschwellung der Leistendrüsen, gegen Ekzeme und Krätze getrunken. Zu demselben Zweck wird aus dem frischen Kraut ein Extrakt zubereitet oder werden pulverisierte trockene Blätter verwendet (3).
Literatur: (1) Polívka, Květena II. 35; (2) Veleslavín 1596, 334 d; (3) Fr. Dlouhý, Léčivé rostlinny, 120.
In der mongolischen Medizin wendet man nach Hübotter (Hübotter, Beiträge zur Kenntnis der chinesischen sowie tibetisch-mongolischen Pharmakologie, S. 85, 122, Berlin 1913.) zwei verwandte Spezies an, und zwar die Clematis grata Wall. "bei erhöhter Temperatur der Lunge, Leber und der Geschlechtsorgane. Die Clematis alpina soll hitzeanregend, eitertrocknend und kleine Wunden überhäutend wirken."
Auch in der homöopathischen Schule sind ähnliche Indikationen gebräuchlich. So schreibt Stauffer (Stauffer, Hom. Taschenbuch, S. 215; ders., Klin. hom. Arzneimittell., S. 366.), daß Clematis der Disposition zu Karzinose günstig entgegenzuwirken scheine. Gute Wirkungen wurden nach ihm bei steinharter Hodenentzündung, Tripperrheuma, juckenden Dermatopathien und skrofulöser Augenentzündung erzielt. Schmidt (Schmidt, Lehrb. der hom. Arzneimittell., S. 104.) nennt Clematis gegen Gonorrhöe, Cystitis, Epididymitis, gonorrhöische Gelenkentzündung, Ekzem und Ulcus cruris durch Harnsäure-Diathese.
Nach Orfila (Orfila, Allgem. Toxicologie, 1818, Bd. 3, S. 106.) verursacht Clematis recta auf der Haut Röte, Eiterblattern und Excoriationen, bei Tieren nach Verfüttern eine tödlich verlaufende Gastritis.
Bestätigt wird die blasenziehende Wirkung der Pflanze von Kobert (Kobert, Lehrb. d. Intoxik., S. 343.), der sie dem auch in Clematis enthaltenen Anemonenkampfer zuschreibt, und von Touton (Touton, Beitr. Biol. Pflanz. 1931, Bd. 19, S. 1.); ersterer beobachtete außerdem bei innerlicher Einführung Gastroenteritis, Reizungserscheinungen der Niere und des Gehirns, die sich durch Konvulsionen und Lähmungen kundtun.
In bezug auf die Wirkung gegen Bakterien und Pilze fand ich, daß die bakterizide und fungizide Kraft zunimmt, wenn man die Pflanze mit Jauche und Mist düngt, also in einen Boden mit starken Fäulnis- und Zersetzungs-vorgängen bringt. Die Wirkung ist in der Blütezeit sehr stark (G. Madaus u. H. Schindler, Dtsch. med. Wschr. 1937, Nr. 4. 137.). Kurven über die jahreszeitlichen Schwankungen der Wirkung befinden sich in dem Kapitel "Anbau von Arzneipflanzen" S. 127.
Bei Untersuchungen über Toxingehalt wurden in Clematis recta geringe Mengen von ausfällbarem Eiweiß von mittlerer Giftigkeit festgestellt.
Hinsichtlich der Erhaltung der Fermente in Zubereitungen aus Clematis recta wurde gefunden, daß Peroxydase und Oxydase im "Teep"-Präparat gut erhalten waren, während die Peroxydase in der Tinktur nicht mit Sicherheit nachweisbar war. Das Anemonin läßt sich in der homöopathischen Tinktur noch bis zur 3. Potenz nachweisen (Nach eigenen Untersuchungen.).
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Bei Clematis recta muß die Dosierung der frischen und der getrockneten Pflanze scharf unterschieden werden. Die getrocknete Clematis recta ist frei von den hautreizenden Stoffen und kann darum in viel stärkeren Dosen verordnet werden als die frische Pflanze. So wendet man die getrockneten Blätter im Aufguß 5-10 g: 5000 g Wasser zwei- bis dreimal täglich ½ Tasse bei alten Hautausschlägen, Syphilis, Anschwellungen der Leistendrüsen, Flechten und Skabies an. Die Frischpflanzenzubereitungen wendet man in geringeren Dosen zu dem gleichen Zwecke und darüber hinaus in erster Linie bei Erkrankungen der männlichen Genitalorgane*), auch bei chronischer Gonorrhöe, Orchitis (Gablick bezeichnet hier Clematis in Kombination mit Pulsatilla als ganz hervorragend), weiter insbesondere bei Epididymitis, beginnender Harnröhrenstriktur, Hodenschwellungen und -verhärtungen (die äußerst schmerzhaft sind), Hodenneuralgie, Prostatahypertrophie, Samenstrangentzündung und ständigem Blasendrang.
Als gewebsspezifisches Mittel wird die Waldrebe weiter bei allen Drüsenerkrankungen, insbesondere Schwellungen und Verhärtungen, bei Skrofulose, fressenden Ulzera, Nageleiterung, Epitheliom (hier im Wechsel mit Conium) und schlecht heilenden Wunden angewandt.
Schematische Darstellung der Häufigkeit der Anwendung von:
Von Dermatopathien sind es besonders die nässenden, pustulösen Ekzeme mit starkem Juckreiz, die sich für die Behandlung mit Clematis eignen. Hier ist ein Wechsel mit Ranunculus und Cistus canad. Oligoplex angebracht.
Seltener wird Clematis recta bei Harnsäure-Diathese, Ischias, Gicht, auch Gichtknoten an den Fingern, bei Cystitis und Enuresis genannt.
Auf Blutungen, besonders des Uterus und Kongestionen nach dem Kopf, die zu Nasenbluten führen, wird ihr in Verbindung mit Viscum album ein günstiger Einfluß zugesprochen.
Auch bei Augenentzündungen, insbesondere Blepharitis, und bei Zahnschmerzen wird das Mittel gelobt. Als Wechselmittel bei Gonorrhöe und deren Folgen ist u. a. Thuja zu empfehlen.
+) Beispiel für die Anwendung: (Nach Aversenq, "Deutsche Zeitschrift für Homöopathie" 1934, S. 307.)
Fall J. P. Kaufmann, 40 Jahre alt.
Vorgeschichte: Er hat vor langen Jahren Tripper gehabt, weiß jedoch nichts von Komplikationen.
Befund: Harn klar, doch mit Fäden durchsetzt. Harnröhre durchgängig. Prostata von normaler Gestalt, aber ziemlich druckempfindlich. Samenblasen nicht tastbar. Hoden gut ausgebildet, jedoch außergewöhnlich berührungsempfindlich. Ebenso verhält es sich mit den Nebenhoden. Auf beiden Seiten Varikozele, links stärker als rechts. Die mikroskopische Untersuchung ergibt nur Staphylokokken, keine Gonokokken.
Klagen: Von Zeit zu Zeit Hodenschmerzen, die in die Samenstränge hinaufziehen. Der Coitus hat keinen Einfluß auf sie. Ein Suspensorium hat zuerst Linderung gebracht, aber jetzt ist es ohne Wirkung. Ebenso wirkungslos sind verschiedene Beruhigungsmittel, die in Kapseln oder als Stuhlzäpfchen gegeben wurden, und heiße Prostatawaschungen geblieben.
Behandlung: Zuerst wird Clematis recta D 6 verordnet. Dieses Mittel bringt sofort Linderung. Hierauf wird wegen der Berührungsempfindlichkeit und der Varikozele noch Hamamelis D 2 gegeben, worauf auch die letzten Beschwerden verschwinden.
Schematische Darstellung der Häufigkeit der Anwendung verschiedener Heilpflanzen bei:
Angewandter Pflanzenteil:
Matthiolus gebrauchte das Kraut. v. Haller nennt die Blätter als blasenziehendes Mittel. Hecker wendet die Blätter äußerlich und innerlich an. Er zieht den Gebrauch der Blüten vor, weil sie auch getrocknet ihre Schärfe behielten.
Offizinell waren früher das Kraut und die Blumen, Herba et Flores Clematidis rectae seu Flammulae Jovis.
Nach Geiger muß das Kraut zur Blütezeit gesammelt werden. Schulz bezeichnet die Pflanze als altes Volksmittel, er nennt den Gebrauch des getrockneten Krautes.
Zur Herstellung der Arzneimittel eignen sich am besten die zu Beginn der Blütezeit geernteten frischen Stengel mit Blättern und Blüten. Demgemäß wird auch das "Teep" aus dem frischen blühenden Kraut bereitet. Die homöopathische Urtinktur nach dem HAB. hat den gleichen Ausgangsstoff (§ 3).
Sammelzeit: Juni bis Juli.
Dosierung:
- Übliche Dosis:
In der Homöopathie:
Maximaldosis:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.