Digitalis purpurea. Purpurroter Fingerhut. Scrophulariaceae.

Botanical name: 

Related entry: Digitalis lanata

Name: Digitális purpúrea L. Purpurroter Fingerhut. Französisch: Digitale pourprée, gant de bergère, gant de Notre-Dame, gantière, gantelée; englisch: Purple foxglove; italienisch: Guacelli; dänisch: Fingerböl; polnisch: Naparstnica; russisch: Napierstianka; norwegisch: Revebjelle; schwedisch: Fingerborgsblomma; tschechisch: Náprstník červený; ungarisch: Gyüszüvirag.

Namensursprung: Digitalis kommt vom lateinischen digitus = der Finger; ebenso nimmt der deutsche Name "Fingerhut" Bezug auf die Form der Blüten.

Volkstümliche Bezeichnungen: Fingerpiepen (Münsterland), Fingerglöckerln (Niederösterreich), Eisenhut (Nordböhmen), Liebfrauen-Handschuh (Oberösterreich). In der Gegend von Selters (Taunus) heißt der Fingerhut "Potschen".

Botanisches: Der Rote Fingerhut ist eine zweijährige ansehnliche Staude, die bis zu 1,50 m hoch wird. Während im ersten Jahre sich nur eine Rosette großer, oberseits flaumiger, unterseits angedrückt graufilziger Blätter entwickelt, streckt sich im zweiten Jahre die Achse. Sie ist dicht beblättert von eilanzettlichen, runzligen, gekerbten Blättern, die oberseits weichhaarig, unterseits fast filzig behaart sind. An der Spitze des Stengels sitzen in 30 bis 100 cm langer, einseitswendiger Traube die purpurroten, großen Blüten. Diese besitzen einen fünfzipfeligen, bleibenden Kelch. Die glockige Krone ist rachenförmig, schwach-zweilippig. Die Innenseite der Blüte trägt dunkelrote, weißumrandete Flecken und lange weiße Haare. Zwei lange und zwei kurze Staubgefäße liegen unter der Oberlippe. Auf dem Fruchtknoten sitzt der fadenförmige Griffel mit einer zweilappigen Narbe. Die Blüten sind vorstäubend, bleiben sechs Tage in Vollblüte und werden hauptsächlich von Hummeln besucht. Die zweifächrige Kapselfrucht enthält zahlreiche sehr kleine Samen. Blütezeit: Juni bis Juli.

Der Rote Fingerhut bildet im Sommer einen Schmuck von Lichtungen und Schlägen im Fichtenwald, wo er dann in großen Beständen auftritt.

Die mit Harz getränkte oberste 5-cm-Schicht des Fichtenwaldbodens fördert, wie eigene Versuche zeigten, das Wachstum des Fingerhutes am stärksten.

Digitalis purpurea gehört zu den Kalkflüchtern, während Digitalis lutea kalkhold ist. Der Boden muß unter 1% Kalk haben, aber kalireich sein. Dagegen bevorzugt sie manganhaltigen Boden, die Asche enthält durchschnittlich 9,02% Mangan.

In Sandkulturen bewirkt ein steigender Manganzusatz Erntevermehrung und Zunahme der physiologischen Wirksamkeit. Bei natürlichem Boden ließen sich nach Dafert und Löwy (Dafert u. Löwy, Heil- u. Gewürzpflanzen 1930, Nr. 13, S. 23-26.) Einflüsse zwischen Mangangehalt und Ernteertrag nicht feststellen. Auf Grund meiner Anbauversuche scheinen Digitalisblätter von auf Fichtennadelboden gewachsenen Pflanzen einige Monate länger voll wirksam zu bleiben als von Pflanzen, die auf gewöhnlichem Boden (Lauberde usw.) angebaut sind.

Geschichtliches und Allgemeines:

Nach den eingehenden Untersuchungen des Finnen Stenius kann es als erwiesen gelten, daß der Fingerhut den alten Griechen und Römern nicht bekannt gewesen ist, wofür auch das Hauptverbreitungsgebiet der Pflanze im westlichen Europa spricht. In der irländischen Medizin ist er dagegen unter dem Namen "sion" als uraltes Volksmittel gegen puerperale Eklampsie und den bösen Blick schon im 5. Jahrhundert im Gebrauch. Nach dem berühmten Arzneibuche "Meddygon Myddfai" (13. Jahrhundert) aus Süd-Wales wurde er als äußerliches Mittel bei Geschwülsten des Unterleibes, Abszessen, Kopfschmerzen usw. gebraucht. L. Fuchs, der der Pflanze den wissenschaftlichen Namen Digitalis gab, bringt als erster in den deutschen Kräuterbüchern eine genaue Beschreibung und Abbildung. Auch war ihm die Anwendung des Fingerhutes bei Wassersucht als Brech- und Purgiermittel bekannt. Die Anwendung zu Heilzwecken blieb jedoch in Deutschland zunächst noch sehr beschränkt. So weiß H. Bock davon nur zu sagen, daß der Fingerhut "zur artzney mit anderen gewächsen zu den dingen so erwörmens / zertheilens und reinigen bedörffen / genommen und gebraucht werden möcht." Außer diesen und einigen anderen spärlichen Angaben findet man in der deutschen medizinisch-botanischen Literatur des 16. Jahrhunderts die Pflanze kaum erwähnt, während in England ihr doch etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde. So beschrieben sie Gerarde (1597) und Parkinson (1640) als Emetikum und Expektorans, und Salmon empfahl sie um 1700 als Mittel gegen Schwindsucht, machte jedoch dabei gleichzeitig auf ihre "abstergierende, brechenerregende und abführende Eigenschaft" aufmerksam. 1748 gab Salerne, wie Weese berichtet, in Paris vor der Académie française einen aufsehenerregenden Bericht über die ersten Digitalisexperimente. Nach Verfütterung einer Anzahl von Digitalisblättern an Truthähne zeigten diese Erscheinungen von Trunkenheit und Zuckungen. Sie gingen nach anhaltenden Ausleerungen schließlich ein. "Beim Öffnen fanden wir das Herz, die Lungen, die Leber und die Gallenblase geschrumpft und ausgetrocknet, der Magen war ganz leer, aber nicht seiner rauhen Haut beraubt." Nach dieser Veröffentlichung über die unzweifelhafte Giftigkeit der Digitalis wurde auch die englische Ärzteschaft wieder sehr zurückhaltend in ihrem Gebrauch, und noch 1776 nannte Murray den Fingerhut ein zweideutiges Mittel. Eine feste Stelle in den Offizinen erhielt er erst durch den englischen Arzt Withering, der 1775 anfing, ihn gegen Wassersucht zu verordnen. Withering hatte von den großen Erfolgen eines Kräuterweibes bei Wassersucht mit einer neuen Heilpflanze gehört. Da die Frau ihm den Namen der Pflanze nicht verraten wollte, ließ er sie heimlich beim Sammeln der Blätter beobachten und stellte so fest, daß es sich um den Fingerhut handelte. Im Jahre 1776 veröffentlichte er eine erste kleine Abhandlung über die Heilkräfte der Droge und machte noch im gleichen Jahre anläßlich eines Konsiliums neben anderen Ärzten und Freunden auch Erasmus Darwin auf sie aufmerksam. Letzterer befaßte sich daraufhin eingehender mit ihr und veröffentlichte 1780 eine Studie über die Heilkräfte des Fingerhutes. Im Jahre 1785 erschien dann Witherings berühmte Abhandlung "An Account of the Foxglove and of its Medical Uses", wodurch dann die Digitalis-Anwendung überall bekannt wurde. Jedoch nicht allzu lange nach Witherings Veröffentlichung kam die Entwicklung der Digitalistherapie zu einem Stillstand. Es wurden eine Unzahl von neuen Indikationen für die neue Droge aufgestellt, was zu teilweisen Mißerfolgen führte, die Withering schen Thesen gerieten in Vergessenheit und eine Anzahl berühmter Ärzte jener Zeit lehnten die Droge überhaupt ab. Zu diesen gehörte u. a. auch der Leibarzt Napoleons Corvisart (gest. 1821) und sein Schüler, der große Kliniker Laennec (gest. 1826). Auch von seiten der homöopathischen Schule wurde die Digitalis abgelehnt, so schrieb Hahnemann:

"Der anhaltende Gebrauch der Digitalis purpurea verursacht eine wahre Freßgierde. Der Fingerhut macht eine schwierige Verstimmung, die nicht leicht zu erkennen ist, da sie sich nicht durch unvernünftige Worte äußert, eine Art von Widerspenstigkeit, Hartnäckigkeit, hinterlistige Unfolgsamkeit, Trieb zu entfliehen, welches seinen fortgesetzten Gebrauch oft hindert."

Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts konnte sich die Digitalistherapie allgemein durchsetzen und in Bambergers "Lehrbuch der Herzkrankheiten" von 1858 ist sie als souveränes Mittel anerkannt. Fahrenkamp (K. Fahrenkamp, Vom Aufbau und Abbau des Lebendigen, Stuttgart 1937, Hippokrates-Verlag.) nimmt auf Grund von Injektions- und anderen Versuchen mit Digitalisglykosiden, insbesondere auch mit denen 2. Ordnung (Convallaria), eine konservierende Wirkung auf Obst und Gemüse an. Die Reaktion des menschlichen Organismus auf pharmakologische Reize ist auch sehr vom Wetter abhängig. So wird nach Macht die Digitaliswirkung durch Zyklonendurchgänge verstärkt (Macht, Amer. Journ. Pharm. 1934, Bd. 106, Nr. 4.).

Wirkung

Witherings (Withering, An Account of the Foxglove and some of its Medical uses with Practical Remarks on Dropsy and other Diseases, 1785.) Verdienst ist es, die Flüssigkeit ausschwemmende Wirkung der Digitalis bei Wassersucht der Therapie nutzbar gemacht und damit die übliche Behandlung der Wassersucht mit Abführmitteln korrigiert zu haben. Die Mißerfolge waren nach ihm durch falsche und zu hohe Dosierung bedingt. Er schrieb vor, daß die Blätter nur kurz vor der Blüte zu sammeln und rasch an der Sonne oder am Feuer zu trocknen seien. Diese Forderung der schnellen Trocknung ist berechtigt, da die Glykoside durch Fermentation außerordentlich schnell abgebaut werden. Dieser Tatsache entspricht auch die heutige "scharfe Trocknung". Von den Blättern verordnete er nur Infuse oder Pulver unter besonders energischer Propagierung des getrockneten Blattpulvers. Er verbot langes Kochen, da die Kräfte der Pflanze dadurch verlorengingen. Er forderte eine individuelle Dosierung, um Kumulationserscheinungen zu verhindern: "Man lasse das Mittel in den Dosen, die ich oben bestimmt und in den Zeiträumen, die ich vorgeschrieben habe, brauchen; es auch so lange fortsetzen, bis dasselbe entweder auf die Nieren oder auf den Magen oder auf den Puls oder auf die Gedärme seine Wirkung äußert: Man lasse es aber, wenn sich nur einer von diesen Umständen melden will, unverzüglich aussetzen. Unter diesen Bestimmungen bin ich gewiß versichert, der Patient wird bei der Anwendung des Mittels gar keine Gefahr laufen, noch der Arzt in seiner Erwartung betrogen werden (Zit. nach Bijlsma-Neukirch, Die Digitalis und ihre therapeutische Anwendung, Verl. Springer, 1923.)."

Über die Anwendung sagt Withering u. a., daß der Fingerhut kein allgemein urintreibendes Mittel ist, daß er aber in seiner Anwendung bei Wassersucht alle anderen Mittel überragt. Er stellt die Digitalis auch über die Meerzwiebel. Nur bei der eingeschlossenen oder sogenannten Sackwassersucht versage das Mittel. Nach ihm kann Digitalis auch angewandt werden, wenn keine Wassersucht zugrunde liegt. Die Anwendung bei kardialer Insuffizienz beschreibt er wie folgt: "Wenn der Puls schwach intermittierend oder gar gespannt ist, wenn das Aussehen des Kranken blaß ist und er um den Mund und Augen blau aussieht, die Haut kalt anzufühlen, der Unterleib locker und das Wasser in demselben schon beweglich und zu fühlen ist, oder wenn die geschwollenen Glieder vom Druck des Fingers leichte Kuhlen zurücklassen ...."

Nach Witherings Tode wurde die Digitalis-Wirkung durch Aufstellung vieler neuer Indikationen erweitert und damit stark verwässert. Bei Hecker (Hecker, Pract. Arzneimittell., 1814, Bd. 1, S. 482.) finden wir folgende Indikationen für Digitalis: 1. Anhaltende Fieber, insbesondere bei entzündlichen Affektionen der Respirationsorgane (Pneumonie, Katarrhe, Croup), wenn der sthenische Zustand nachgelassen hat, zur Verminderung der Pulsfrequenz; 2. exanthematöse Fieber, namentlich Masern und Scharlach, zur Zurückführung des Pulses auf das Normalmaß, herpetische Ausschläge; 3. Hämorrhagien, vor allem Bluthusten; 4. hektische Fieber, namentlich mit entzündlicher Affektion der Brust und innerer Vereiterung; 5. Krankheiten des lymphatischen Systems wie Intestinalfieber, skrofulöse Ulzera, beginnende Rachitis, Kropf, Szirrhus; 6. Hydrops ("eins der ersten Mittel"), wenn kein sthenischer Zustand und keine Kachexie vorliegt und der Magen nicht zu reizbar ist; 7. Epilepsie, Hemikranie, spastische Tussis und Pertussis; 8. Gicht und Podagra.

Hufeland (Hufeland, Enchir. med., S. 100, 106, 119, 124, 156, 167, 177, 178, 180, 185, 205, 214, 233, 240, 242, 250, 253, 267, 334 u. a., Journ., Bd. 1, S. 280, Bd. 25, III., S. 46, Bd. 30, V., S. 39, Bd. 37. V., S. 58.) wandte Digitalis ungemein häufig als auflösendes Herzund Nierenmittel an und veröffentlichte auch Berichte von Hofmedikus Storr über die erfolgreiche Verordnung bei katarrhalischer Phthisis, von Koyston gegen vorzeitige Geburt. Auch empfahl er den äußerlichen Gebrauch bei skrofulösen Verhärtungen.

Die pulsregulierende, diuretische, anaphrodisierende und narkotisierende Wirkung der Digitalis nützt Clarus (Clarus, Handb. d. spec. Arzneimittell., S. 294.) zum therapeutischen Gebrauch bei Herzentzündungen, Herzhypertrophie, Aneurysmen (Kontraindikationen: Hypertrophie mit Klappenfehler, Herzdilatation), Entzündungen, Fiebern (nicht bei erheblichen Cerebralsymptomen), Blutungen (mit "bestem Erfolg", namentlich gegen Lungenblutungen bei noch nicht zu weit vorgeschrittener Tuberkulose und bei extrapuerperalen Blutungen, wie auch Dickinson berichtet), bei Hydrops infolge Herzleiden, bei schmerzhaften Trippererektionen, Wahnsinn und Epilepsie, spasmodischen und rheumatischen Neuralgien (mit Hardwicke).

Heusinger (Heusinger, Dtsch. Klin. 1858, Nr. 24.) sah gute Erfolge von der Digitalismedikation bei heftigen Pneumonien, ebenso Heise und Kulp, die sie auch gegen Pleuritis und akuten Gelenkrheumatismus anwandten (Heise, De herb. Digit. in mort. febril. chron. adhib. vi antiphlog. Berol. 1852; Kulp, De herb. in mort inflamm. usu. Berol. 1854.).

Die Volksmedizin schätzt die Fingerhutblätter als Kropfmittel (Osiander, Volksarzneymittel, S. 303.), gegen beginnende Tuberkulose, Hydrops, Herzkrankheiten mit starkem Angstgefühl, Ikterus und Trigeminusneuralgie (hier auch äußerlich) und zum lokalen Gebrauch bei Gichtknoten und Hodengeschwulst (Friedrich, Sammlg. v. Volksarzneimitteln, 1845, S. 53.).

Der erste, der auf die "Leistungssteigerung" des Herzens durch Digitalis hinwies, war Traube (Traube, zit. bei Weese, Digitalis, 1936, S. 6.). Er erkannte, daß die Digitalis auf die Muskelsubstanz des Herzens selbst wirke, und daß dadurch die Pulsverlangsamung und die Wirkung auf den Blutdruck zustandekommen.

Im Jahre 1883 begann die Digitalisforschung am Tier durch Schmiedeberg (Schmiedeberg, Arch. f. exp. Path. 1883, Nr. 16, S. 149.). 1898 wurde durch Houghton (Houghton, Jorn. amer. med. Assoc. 1898, Nr. 31, S. 959.) das erste biologische Wertbestimmungsverfahren für Digitalis eingeführt.

Die Versuche, Digitalis intravenös zu geben, wie sie von dem Arzt Mendel (Mendel, Ther. d. Gegenw. 1905, S. 398.) in Essen durchgeführt wurden, führten bald zur Anwendung des Strophanthins. Seit Schmiedeberg werden die Pflanzen mit digitalisartig wirkenden Glykosiden in einer Gruppe zusammengestellt (Pflanzen mit Digitalisglykosiden). Hierher gehören nicht nur Strophanthus, sondern auch Helleborus, Nerium oleander, Convallaria majalis usw. Heute wissen wir, daß der Ähnlichkeit der Wirkung auch eine chemische Verwandtschaft der Digitalisglykoside dieser Pflanzen entspricht.

Erforschung der Wirkstoffe:

I. Glykoside:

Nachdem es Sertürner zu Beginn des 19. Jahrhunderts gelungen war, das Morphin zu isolieren, versuchte man namentlich in Frankreich die Isolierung der Digitaliswirkstoffe. Die Arbeiten waren aber schwieriger als man sich gedacht hatte. Die Alkaloidmethoden versagten. Das führte dazu, daß 1835, wie Straub (Straub, Schweiz. med. Wschr. 1935, Nr. 37, S. 888.) berichtet, die "Société de Pharmacie" zu Paris einen Preis von 500 Franken für die Entdeckung des aktiven Prinzips der Digitalispflanzen aussetzte, doch ohne Erfolg. Der Preis wurde auf 1000 Franken erhöht und zum zweiten und dritten Male ausgeschrieben mit der Begründung: "Die Digitalis purpurea spielt als heroisches Medikament eine große Rolle, es ist erstaunlich, daß wir noch nichts über die chemische Zusammensetzung der Pflanze wissen." Erst auf die vierte Ausschreibung hin, im Jahre 1842, konnte dem Kliniker Homolle und dem Apotheker Quevenne der Preis zuerkannt werden. Als Index benutzten diese Forscher die Brechwirkung an Hunden. Durch Einführung u. a. des Äthers als Lösungsmittel erhielten sie ein weißes Pulver, das sich allerdings nicht kristallisieren ließ. Sie nannten das Präparat Digitaline und in ihrer Mitteilung von 1854 sprechen sie diesem gefundenen Stoff alle Wirkungen der Digitalis zu und schließen mit den Worten: "Nun haben wir den Grundstein gelegt, es wird Sache der Architekten sein, das Gebäude aufzurichten." Sie hatten insgesamt 2000 kg Digitalisblätter verarbeitet und glaubten damit einen Vorrat an Wirkstoff für 5-10 Jahre gewonnen zu haben. Nativelle benutzte 1862 Chloroform als Lösungsmittel. Er konnte ein Teilprodukt aus dem Digitalis als kristallisierenden Körper abscheiden, der in Frankreich noch heute als "Digitaline cristallisée Nativelle" bezeichnet wird. Dieser Stoff ist identisch mit dem Digitoxin, das von Schmiedeberg und Kiliani als kaum wasserlösliches, reines kristallisiertes Pulver dargestellt wurde. Die Wasserunlöslichkeit führte zur Ablehnung dieses Präparates und zur Bevorzugung der wasserlöslichen Bestandteile, die von Cloëtta als Digalen in die Therapie eingeführt wurden. Der Schweizer Apotheker Krafft brachte unter dem Namen Verodigen ein Präparat in den Handel, das im wesentlichen aus dem Glykosid Gitalin bestand.

In den Digitalisglykosiden sind die Zucker besonders wichtig, weil sie die Löslichkeit erhöhen und vor allem die Bindung am Herzmuskel ermöglichen. Wichtig war als Ergebnis weiterer Forschungen vor allem die Erkenntnis, daß bei Anwesenheit aller Glykoside der Pflanze und wahrscheinlich auch gewisser Begleitstoffe das Digitoxin in wäßrige Lösungen gehen kann. Das Infus von Digitalis enthält auch das kaum lösliche Digitoxin in gelöster Form. Die Glykoside werden hydrolytisch gespalten, wobei Digitoxin und Gitoxin 3 Moleküle Digitoxose abspalten. Das Gitalin enthält nur 2 Moleküle Digitoxose.

Stoll konnte ausgehend von seinen Untersuchungen über die Glykoside der Digitalis lanata zeigen, daß im frischen Digitalisblatt die drei genannten Glykoside in Form "genuiner Glykoside" vorliegen. Diese genuinen Digitalisglykoside enthalten an Zucker außer der Digitoxose noch Glukose. Sichergestellt ist das bisher für Digitoxin (Purpureaglykosid A) und für das Gitoxin (Purpureaglykosid B). Für das Gitalin ist die Bildung aus einem solchen genuinen Glykosid bereits wahrscheinlich.

Nach Stoll und Kreis sind ähnliche Glykoside in der Digitalis lanata, einer südosteuropäischen Verwandten der Digitalis purpurea, enthalten. Hier sind sie nur vergrößert durch einen Essigsäurerest, so daß z. B. das Digilanid A besteht aus: Digitoxigenin + 3 Digitoxosen + Glukose + Essigsäure. Die Erforschung der Chemie der Glykoside hat die Chemiker nicht ruhen lassen, auch die chemische Konstitution dieser hochwirksamen Körper zu finden. Diese schwierigste aller Aufgaben wurde gelöst von Windaus, Wieland, Jakobs, Stoll, Tschesche und ihren Mitarbeitern. Die Konstitutionsformel des Digitoxingenins ergab eine nahe Verwandtschaft zu der des Strophanthins. Man stellte fest, daß, wie man schon vermutet hatte, die Genine in die Gruppe der Sterine gehören und damit den Gallensäuren, dem Cholesterin, dem Vitamin D, dem männlichen und weiblichen Sexualhormon sehr nahestehen. Die nachstehend abgebildeten Konstitutionsformeln lassen die engen Beziehungen deutlich erkennen.

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(Entn, der Schweizer med. Wochenschr. 1935, Nr. 37, S. 891.)

II. Begleitstoffe:

Neben den auf den vorhergehenden Seiten besprochenen Wirkstoffen enthalten die Fingerhutblätter noch eine Reihe von Substanzen, die man auch als Begleitstoffe oder "Ballaststoffe" bezeichnet, und die sich in pharmakologischen Experimenten als wichtig erwiesen haben. Bei der vergleichenden Anwendung der Digitalisglykoside mit der Digitalisdroge zeigt sich dieses besonders deutlich.

So sagt Kobert (Kobert, Lehrb. d. Pharmakother., S. 345.): "Leider hat sich die Wirkung der Folia aber qualitativ, trotz der quantitativen Schwankungen, allen bis jetzt chemisch rein dargestellten Substanzen überlegen gezeigt."

Bürgi (Bürgi, Die Arzneigemische, i. Handb. d. prakt. Ther. als Ergebn. exp. Forsch., 1926, S. 214 u. f.) schreibt: "... und tatsächlich halten die praktischen Ärzte die Digitalisdroge und ihr Infus bis auf den heutigen Tag für kräftiger wirkend als irgendeine der gereinigten Spezialitäten." "... Die Tatsache, daß die Vollpräparate nach klinischen Erfahrungen stärker wirken." "Ich glaube als erster auf die pharmakologische Bedeutung der sogenannten indifferenten oder Ballaststoffe aufmerksam gemacht zu haben." ".... Versuche von Lenz und Ludwig, ... sie zeigten noch einwandfreier, wie dominierend der Einfluß der sogenannten indifferenten Stoffe in Drogen sein kann!"

In ähnlichem Sinne äußern sich Bachem (Bachem, Arzneither. d. prakt. Arztes, S. 8.), der die Folia Digitalis "nach wie vor das zuverlässigste Präparat nennt",

Trendelenburg (Trendelenburg, Grundl. d. allgem. u. spez. Arzneiverordn., S. 150.), Meyer-Gottlieb (Meyer-Gottlieb, Exp. Pharm., S. 367, 369, 370.), Wiechowski (Wiechowski, Ther. Halbmon.-Schr. 1921, S. 681.), Poulsson (Poulsson, Lehrb. d. Pharm., S. 163, 164.), der Blätter und Tinktur als die zweckmäßigsten und zugleich billigsten Präparate bezeichnet.

Mit der Beeinflussung der Kumulation durch die Ballaststoffe haben sich Hoeckstra und ten Kleij (Hoeckstra u. ten Kleij, Naunyn-Schmiedebergs Arch. 1932, Bd. 163.) im Pharmakologischen Institut Utrecht beschäftigt. Sie untersuchten zunächst, ob vielleicht die Saponine der Digitalis-Droge, die in hochprozentigen Tinkturen nicht oder nur schwach enthalten sind, die kumulative Wirkung aufheben. Die Aufhebung war unwahrscheinlich, weil man z. B. vom Strophanthin weiß, daß ein Saponinzusatz die Kumulation um das 15fache erhöht. In der Tat erhöhten Saponinzusätze bei Digitalis purpurea-Tinkturen und -Infusen die Kumulation um das 2,4-2,8fache. - Sie untersuchten weiter die Frage, ob die Aschebestandteile, die bekanntlich bei Digitalis sehr manganhaltig sind (0,94-8,12 mg in 100 g Pulver), u. U. verstärkt zugesetzt, die Kumulation herabsetzen. Das war nicht der Fall. Sie prüften endlich, ob die in Digitalisauszügen auftretenden Schleimstoffe die Kumulation herabsetzen. In der Tat war dies so; man fand in einem Fall eine bis zum Vierfachen gehende Herabsetzung der Kumulation unter Einfluß der zugesetzten schleimartigen Substanzen. Weiter prüften H. und K. noch die Frage, ob Mucilaginosa im allgemeinen die Kumulation herabsetzen. Sie wählten hierzu den Schleim von Tubera Salep; diese Schleime zeigten keine Wirkung.

Die Verminderung der Kumulation durch die Schleimstoffe beruht zum mindesten zum Teil auf der von Hoeckstra festgestellten Hemmung der Resorption. Bereits früher war von Issekutz (Issekutz, Festschrift für Professor Lechner, 1915.) und von Nyary (Nyary, Arch. f. exp. Path. u. Pharm., Bd. 165, 432, 1932.) gezeigt worden, daß die Glykoside aus galenischen Zubereitungen schneller resorbiert werden, als aus Präparaten ohne Ballaststoffe. Man wird diese Wirkung der Schleimstoffe u. a. für einen Nachteil halten können. Ich möchte mich entsprechend den Äußerungen von Kobert, Bürgiu. a. der Ansicht von Gottlieb und Ogawa (Gottlieb, R. u. M. Ogawa, Münchn. med. Wschr. 1912, S. 2625 u. 2339.) anschließen, die die Verlangsamung der Resorption für einen Vorteil halten. Diese Beobachtung ist übrigens auch anscheinend für viele andere Giftpflanzen gültig (Belladonna, China, Aconitum usw.).

Im einzelnen sind neben den von Hoeckstra und ten Kleij in ihrer Wirkung charakterisierten Schleimstoffen folgende Begleitstoffe noch näher geprüft worden:

a) Saponine:

Über die Allgemeinwirkung der Saponine vgl. das Kapitel Saponine in der Einleitung. Kofler und Kaurek (Kofler u. Kaurek, Arch. f. exp. Path. 1925, 109, S. 362.) konnten in Froschversuchen zeigen, daß bei oral verabreichten Digitoxin und Strophanthin die Wirksamkeit sich um etwa 50 bzw. 33% steigern läßt, wenn man eine kleine, an sich wirkungslose Saponindosis zufügt. Eine solche Wirkung entfalten auch die Saponine der Digitalispflanze selbst, so daß beispielsweise das an sich kaum wasserlösliche, für die Wirkung besonders wichtige Digitoxin in die Infuse geht. Es gelang Windaus und Schneckenburger (Windaus u. Schneckenburger, Ber. dtsch. chem. Ges. 1913, Nr. 46, S. 2628.) durch Fraktionierung einheitliche kristallisierte Verbindungen aus der Digitalis darzustellen, die auch noch in stärksten Verdünnungen Blutkörperchen auflösten. Er trennte 2 einheitliche Stoffe ab, und zwar das Digitonin und das Gitonin. Er vermutet auch noch 2 weitere Nebensaponine in der Digitalispflanze. Das reine Digitonin fällt bei der Fraktionierung zu 70-80% an. Es hat die Formel C55H90O29. Die Hydrolyse entspricht nach Windaus und Weil (Windaus u. Weil, Hoppe-Seylers Z. 1922, Nr. 121, S. 62-79.) vermutlich der folgenden Gleichung:

C55H90O29 + 5H2O = C26H42O5.+ 4C6H12O6 + C5H10O5./p>

Digitonin Digitogenin Galaktose Xylose

Die dabei entstehenden Zucker wurden von Kiliani (Kiliani, Ber. dtsch. chem. Ges. 1926, Nr. 59, S. 2462.) charakterisiert: Es sind wahrscheinlich 2 Mol. Glukose, 2 Mol. Galaktose und 1 Mol. 1-Xylose. Digitogenin ist ein dreiwertiger gesättigter Alkohol, der im Molekül 2 oxydartig gebundene Sauerstoffatome enthält. Von den Nebensaponinen wurde von Jakobs und Fleck (Jakobs and Fleck, J. of biol. Chem. 1928, Nr. 79, S. 519.) eins durch Reindarstellung gewonnen, es erhielt den Namen Digogenin.

b) Farbstoffe:

Außer Chlorophyll enthält die Digitalis noch Digitoflavon, welches die gelbe Farbe der ätherischen Auszüge verursacht. Es ist nach Kiliani und Mayer (Kiliani u. Mayer, Ber. dtsch. chem. Ges. 1901, Nr. 34, S. 3577.) identisch mit dem Luteolin aus Reseda luteola.

Karrer (Karrer, Hilv. chim. Acta 1934, Nr. 27, S. 1560.) isolierte einen gelben prachtvoll kristallisierenden Farbstoff, den er Tapsin benannte. Ein Farbstoff in der Digitalis lutea steht übrigens dem Farbstoff aus Artemisia absinthium nahe.

c) Fetthaltige Körper:

Die Engländer vermuteten, daß die fettartigen Körper der Digitalis das Erbrechen verursachen, doch wurde diese Ansicht von Hatcher und Eggleston (Hatcher and Eggleston, J. amer. med. Assoc. 1913, Nr. 69, S. 419.) und Dooley (Dooley, Midland Dung 1919, Nr. 53, S. 5.) widerlegt. Die beiden ersteren verfütterten große Fettmengen ohne Wirkung, und der letztere sah ein Erbrechen auch nach fettfreier Digitalistinktur auftreten. In den mit Petroläther leicht ausscheidbaren öligen Substanzen des Fingerhutes wurde Myristin, Palmitin, Cerotin, Öl-, Linol- und Linolensäure nachgewiesen.

d) Säuren:

Fourton (Fourton, Bull. Sci. pharmacol. 1928, Bd. 35, S. 689.) fand in ätherischen Blätterextrakten Isovaleriansäure, n-Buttersäure, Essigsäure, Propionsäure und Ameisensäure. Die Digitalissäure wurde von ihm und Bourcet (Bourcet, Bull. Sci. pharmacol. 1928, Bd. 35, S. 345.) als verunreinigte Bernsteinsäure erkannt.

e) Fermente:

An Fermenten wurden in der Droge gefunden: Oxydase, Invertin und Diastase. Stoll und Kreis (Stoll u. Kreis, Helv. chim. Acta 1933, Nr. 16, S. 1390.) fanden ein glykolytisches Ferment Digipurpidase.

f) Asche:

Die Asche fast aller Digitalisarten ist durch ihren Mangangehalt grün gefärbt. Purpureapulver enthält 0,94-8,12 mg Mangan je 100 g Droge. Digitalis ambigua und lutea sollen manganfrei sein.

Nachweis und Wertungsmethoden:

Es gibt zahlreiche biologische Untersuchungsmethoden, von denen heute die "zeitlose Methode" nach der Völkerbundsmethode an Fröschen die zur Zeit üblichste geworden ist. Als mindestens ebenso gute Untersuchungsmethode gilt die an Katzen, und dann erst folgen die Methoden an anderen Tieren. Im allgemeinen ist zu sagen, daß die Methode der Wirkstoffbestimmung, am Tode eines Tieres gemessen, recht unbefriedigend ist. Die Tiere sind konstitutionell und nach Jahreszeiten so verschieden, daß große Schwankungen im Ergebnis unausbleiblich sind. Darüber hinaus krankt z. B. die Auswertung am Frosch daran, daß die Blätter im Sommer gepflückt werden und die Frösche erst im Winter zur Verfügung stehen, denn die Sommerfrösche eignen sich nicht zu Versuchen, weil sie zum ersten in den verschiedenen Stadien des Sexualrhythmus verschieden empfindlich sind, zum anderen auch die männlichen und weiblichen Frösche an sich wieder verschieden reagieren. Der wichtigste Einwand gegen die Froschmethode ist der, daß durch Lagerung der Digitalis vom Sommer bis zum Winter der eingetretene Verlust an Wirkstoffen nicht errechnet werden kann, und zum anderen der Arzt in der Praxis die im Sommer frisch geerntete Pflanze bis zum Winter, also bis zu ihrer Standardisierung, nicht anwenden kann. Der Engländer Burn (Burn, Verh. d. dtsch. pharm. Ges., Naunyn-Schmiedebergs Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1936, Bd. 184, H. 1, S. 37.) bringt auch noch einen wichtigen Einwand. Nach ihm wird die Froscheinheit "leider noch an manchen Orten benutzt" (gemeint ist auch Deutschland), trotzdem sie wegen ihrer großen Schwankungen eigentlich "veraltet sein sollte". In seinem Laboratorium ergaben Eichungen, in denen immer ein Standard-Digitalisblatt benutzt wurde, genaue Daten über die Breite der Schwankungen der Froscheinheit. Während eines Zeitraumes von 12 Monaten schwankte die Wirksamkeit eines Standard-Digitalisblattes, wenn sie in Froscheinheiten ausgedrückt wurde, von 1310-3300 Einheiten pro Gramm. Daraus geht nach Burn hervor, daß es unmöglich ist, die Wirkungsstärke eines Digitalisblattes oder irgend eines Glykosids aus Digitalis, Strophanthus oder Scilla mit Genauigkeit in Form von Froscheinheiten auszudrücken. Er ist der Ansicht, daß alle Wertbestimmungen in einen Vergleich zweier Präparate miteinander verwandelt werden sollten.

Im einzelnen gibt es folgende Methoden:

1. Versuche an Pflanzen:

Macht und Krantz (Macht and Krantz, J. amer. pharm. Assoc. 1927, Nr. 16, S. 210; J. of Pharm. 1927, Nr. 31, S. 11.) beobachteten, daß die Digitalisglykoside das Längenwachstum der Wurzeln von Lupinenkeimlingen proportional ihrer Konzentration zu hemmen vermögen. Diese Methode soll geringere Schwankungen des Wirkungswertes ergeben haben als die Katzenmethode.

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Lebensdauer von Wasserflöhen in Digitalisauszügen verschiedener Konzentration, die durch die an den Kurven befindlichen Zahlen angegeben sind.

2. Wirkung an Paramäcien, Daphnien und Hydren:

Schneider (Schneider, J. amer. pharm. Assoc. 1925, Nr. 14, S. 128.) untersuchte die Wirkung der Digitalisglykoside an Paramäcien. Der Tod trat nach 1-3 Minuten ein. Die dabei gewonnenen Ergebnisse stimmten aber nicht mit denen am Frosch überein. Viehoever und Mitarbeiter (Viehoever u. Mitarbeiter, J. amer. pharm. Assoc. 1929, Bd. 18, S. 1137; Amer. Journ. Pharm. 1935, Nr. 107, S. 47.) verwendeten für ihre Untersuchungen Daphnien. Sie kontrollierten die Herztätigkeit unter dem Mikroskop und fanden, daß gesättigte Digitoxinlösung das Herz der Wasserflöhe erst innerhalb 5-6 Stunden lähmten. Diese Ergebnisse waren mit denen am Frosch nicht vergleichbar.

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Wasserfloh in 0,5%igem Digitalisauszug. Abfall der Herzfrequenz im Laufe der Zeit, ausgezählt mittels Morseschreibers.

Da die Frösche erst in den Wintermonaten für eine Prüfung der Digitalisblätter geeignet sind, eine solche Prüfung aber schon vor dieser Zeit zweckmäßig erscheint, habe ich in meinem Laboratorium mit meinen Mitarbeitern verschiedene Versuche mit Daphnien angestellt und bin bei Daphnien zu einem günstigeren Ergebnis gekommen als Viehoever und seine Mitarbeiter.

Es wurde zunächst festgestellt, daß nach Völkerbundsvorschrift hergestellte Auszüge aus Folia Digitalis in der Lage sind, Daphnien zu töten. Zwischen der Stärke des Auszuges und der Dauer der Wirksamkeit bis zum Eintritt des Todes ergibt sich die Abbildung auf S. 1198.

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Normale Herzfrequenz von Daphnia in Wasser: 232.

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Herzfrequenz von Daphnia nach 60 Minuten Aufenthalt in 0,5% Digitalisextrakt: 72.

Beobachtet man den Herzschlag der Daphnie selbst, so kann man unter der Einwirkung von Digitalis und deren herzwirksamen Glykosiden eine Abnahme der Herzschläge feststellen. Wir haben dies mit Hilfe eines Morseschreibers registriert. Die Zahl der Herzschläge normaler Daphnien liegt bei 230-280. Bringt man nun die Daphnien in einen ½% igen Digitalis-Auszug, so bekommt man einen Abfall der Herzschläge, wie die Abbildung S. 1199 zeigt. Der Herzrhythmus ist aus den beiden obigen Abbildungen zu erkennen. Die erste gibt die normale Frequenz des im Wasser befindlichen Tieres, die in diesem Falle 232 Herzschläge pro Minute betrug. Nach 60 Minuten erhält man das in der zweiten Abbildung wiedergegebene Diagramm, aus dem man die wesentliche Verlängerung der Systole erkennt. Die Zahl der Herzschläge betrug 72. Man sieht aus diesem Bild auch deutlich die Unregelmäßigkeit zwischen kurzen und langen Systolen.

3. Die Wirkung an Fischen

wurde von Pittinger und Vanderkleed (Pittinger and Vanderkleed, J. amer. pharm. Assoc. 1919, Bd. 8, S. 893; 1915, Bd. 4, S. 427.) geprüft. Die von ihnen festgestellte Empfindlichkeit der Goldfische wurde von McGill (McGill, J. amer. pharm. Assoc. 1921, Bd. 10, S. 266; J. amer. chem. Soc. 1920, Bd. 42, S. 1893, zit. nach Munch, Bioassays, 1931, S. 283.) nicht bestätigt, da nach diesem die Saponine an der tödlichen Wirkung im großen Ausmaße beteiligt sind. Andrerseits scheinen die Fische doch recht empfindlich gegenüber dem Digitalisgift zu sein, denn Lopez Lomba (Lomba, C. r. Soc. Biol. Paris 1922, Nr. 87, S. 1268.) konnte noch 1/400 mg Digitalin am Fischtest nachweisen.

Overton (Overton, Unters. über d. Resorption u. relative Stärke einiger Herzgifte, Lunds, Univ. Arsskrift, Leipzig 1918.) prüfte die Wirkung an Kaulquappen, an deren Schwanzhaut sich die Zirkulation mikroskopisch verfolgen läßt. Wenn er die Tiere mit Saponin vorbehandelte, so daß sich die äußersten Hautschichten ablösten, z. B. nach der Einwirkung von Cyclamin, dann permeierten die Glykoside, und zwar stellte Strophanthin noch in einer Verdünnung 1 : 1 Million das Herz in 1-2 Stunden still.

4. Auswertung am Frosch:

Die Rana esculenta ist ungeeignet. Man verwendet in Deutschland allgemein die Rana temporaria im Gewichte von 20-40 g. Man bevorzugt den männlichen Frosch, der allgemein vom November bis Februar am besten auf Digitalis anspricht. Störend wirken aber nicht nur die jahreszeitlichen Schwankungen, sondern, wie schon bemerkt, auch die Tagesschwankungen auf die individuelle Empfindlichkeit. Man wendet die "zeitlose Methode" an und versteht darunter die Prüfung ohne Berücksichtigung der Vergiftungsdauer.

Zur Prüfung des wahren Glykosidgehaltes bei der Ernte ist es notwendig, daß die frischen Blätter vor dem Trocknen solange heißem Alkoholdampf ausgesetzt werden, bis die Fermente abgetötet sind. Dann werden die Blätter bei Hitze (40°-60° C) schnell getrocknet und in Exsikkatoren auf einen Feuchtigkeitsgehalt von unter 2% gebracht und so bis zur Prüfung gelagert.

Die Auswertung von Digitalis nach der "zeitlosen" Völkerbundsmethode geht folgendermaßen vor sich:

Es wird in folgender Weise eine vierprozentige Lösung hergestellt. Grob gepulverte, im Schwefelsäure-Exsikkator bis zur Gewichtskonstanz getrocknete Blätter werden im 100-ccm-Kölbchen 1 : 25 mit absolutem Alkohol übergossen und innerhalb von 24 Stunden wiederholt umgeschüttelt. Diese Aufschwemmung läßt man dann am Rückflußkühler 30 Minuten kochen, filtriert sie heiß durch ein Filter von 9 cm Durchmesser und wäscht Kolbeninhalt und Filter solange mit absolutem Alkohol nach, bis dieser farblos abläuft. Danach wird auf dem Warmwasserbad, ohne daß es zur Krustenbildung kommt, bis auf 5 g eingeengt (tarierte Glasschale). Den Schaleninhalt führt man in ein 25-ccm-Kölbchen über, spült ein- bis zweimal mit je 1 ccm absolutem Alkohol nach und füllt nunmehr mit Aqua dest. bis zur Marke auf. Anschließend wird die Auswertung aufgenommen.

Von dem nach dieser Vorschrift hergestellten Extrakt werden den Fröschen steigende Dosen in den Brustlymphsack injiziert. Zu einer Auswertung sind im Durchschnitt mindestens 40 Frösche erforderlich. Da sich die Frösche im Körpergewicht unterscheiden, wird die zu injizierende Dosis auf das Gramm Körpergewicht umgerechnet. Da außerdem die Resistenz der einzelnen Frösche verschieden ist, wird jede Dosis mehreren Fröschen gleichzeitig gegeben. Die Tiere werden nun 24 Stunden nach der Injektion beobachtet und festgestellt, bei welcher Dosis die Tiere innerhalb dieser Zeit noch eingehen. Aus der geringsten regelmäßig noch tödlich wirkenden Menge Extrakt wird nun nach Pick-Wasicky errechnet, welcher Bruchteil eines Grammes Droge genügt, um 1 g Frosch mit systolischem Herzstillstand innerhalb 4 Stunden zu töten. Diese Menge bezeichnet man als eine Froschdosis. Daraus läßt sich wieder errechnen, wieviel Froschdosen in einem Gramm Droge enthalten sind. Auf die Einzelheiten der Technik und die verschiedenen Arten der Berechnungsmöglichkeit soll hier nicht näher eingegangen werden. Von der normierten Digitalisdroge wird verlangt, daß 1 g des Blattpulvers 2000 FD. enthält.

Über die Streuung und die Notwendigkeit einer Berücksichtigung bei der Berechnung bringt Lendle (Lendle, i. Heffter-Heubners Handb. d. exp. Pharm., Ergänzungswerk Bd. 1.) ausführliche Hinweise. Soweit man sich nicht der amtlichen deutschen Prüfung des DAB. VI bedienen will, kann man sich als verhältnismäßig einfacher Methode der von Wiechowski (Wiechowski, Naunyn-Schmiedebergs Arch. 1928, Bd. 128, S. 135.) angegebenen Anordnung bedienen. Es werden gleichgroßen Tiergruppen Dosen injiziert, die entsprechend einer geometrischen Reihe abgestuft sind. Die Dosen sind so zu legen, daß in der Gruppe der kleinsten Dosen kein Tier, in der Gruppe der größten Dosen alle Tiere eingehen. Wegen des einfachen Berechnungsverfahrens zur Feststellung der mittleren letalen Dosis vergleiche man z. B. die Arbeit von Wiechowski oder Weese Seite 31. Durch eine von Kärber angegebene Berechnungsweise kann der mittlere Fehler zwar noch etwas herabgedrückt werden, indessen ist diese Versuchsanordnung doch so kompliziert, daß im allgemeinen die obengenannte vorgezogen wird.

Auf eine interessante Bestimmungsmethode sei noch hingewiesen, die von Trevan und Burn (Trevan and Burn, Proc. of the roy. soc. B. 1927, Bd. 101, S. 483.) angegeben wurde, gegen die aber z. B. Fromherz (Fromherz, Naunyn-Schmiedebergs Arch.) neuerdings auf Grund eines sehr umfangreichen Versuchsmaterials gewisse Bedenken vorbringt.

5. Auswertung am Warmblüter:

Die Auswertung an der Katze erfolgt in der Weise, daß die zu prüfende Digitalislösung langsam intravenös gegeben wird. Diese Methode wurde zuerst 1910 von Hatcher und Brody (Hatcher and Brody, Amer. J. Pharmacy 1910, Bd. 82, S. 360.) angegeben. Das Verfahren hat sich schnell eingebürgert. Man versteht heute unter Dosis letalis diejenige Anzahl von mg Wirkstoff, die unter den von Hatcher angegebenen Versuchsbedingungen zur Tötung von 1 kg Katze infundiert werden müssen. Von den Versuchsbedingungen seien folgende erwähnt: Bei Katzen von 1700-2700 g wird in leichter Äthernarkose bei künstlicher Beatmung und intakten Vagi intravenös ein ½prozentiger Infus nach Vorschrift der holländischen Pharmac. Ed IV oder entsprechend verdünnte Tinkturen mit einer Geschwindigkeit von etwa 1 ccm pro Minute in die Femoralvene infundiert. Der Herzstillstand wird palpatorisch festgestellt; Blutdruckschreibung ist nicht notwendig. Die Versuchszeit soll etwa 30-55 Minuten betragen. Die Infusion muß gleichmäßig durchgeführt werden und darf nicht am Ende beschleunigt werden. Zur Prüfung werden mindestens drei Katzen benötigt und die Eichung muß so lange fortgesetzt werden, "bis das Mittel der prozentischen Abweichungen vom Durchschnittswert der schon ausgeführten Bestimmungen kleiner ist als 6,67 n-1. Danach schaltet man diejenigen Versuche aus, welche eine größere Abweichung vom Mittelwert zeigen, als einem bestimmten, mit der Zahl der Einzelwerte wechselnden Grenzwert entspricht, und nimmt das Mittel aus den übrigbleibenden "Versuchen". Der wahrscheinliche Fehler dieser Versuchsanordnung beträgt 8,2%. Die Ergebnisse schwanken durch die Beeinflussung bei Äthernarkose und des Zustandes des Vagustonus, durch eine vorhandene Gravidität und eine beginnende Pneumonie. Als internationaler Standard wird im pharmazeutischen Institut in Utrecht ein Digitalispulver aufbewahrt, das pro g Droge 11,1 tödliche Katzeneinheiten enthält (Knaffl-Lenz, Die internationalen Methoden und Standards der biologischen Wertbestimmung, Leipzig 1928.).

Weiter wurde Digitalis geprüft am Meerschweinchen (Knaffl-Lenz, J. of Pharm. 1926, Bd. 29, S. 407.). Die tödliche Dosis für das Meerschweinchen ist annähernd doppelt so groß wie für die Katze. Am Hunde kann man besonders pulsverlangsamende Wirkung nach intravenösen Gaben studieren. Kaninchen, Mäuse und Ratten eignen sich für die Auswertung schlecht. Besser geeignet sind noch Tauben, bei denen durch Studien der Brechwirkung eine Auswertung möglich ist. Nach 5-10 Stunden treten typische Brechwirkungen auf mit gleichzeitiger Bradykardie. Die Tiere erholen sich in wenigen Tagen und können nach 7 Tagen erneut zur Testierung gebraucht werden. Als "Taubeneinheit" wird diejenige Brechdosis betrachtet, die bei mindestens 2-3 Versuchstieren Erbrechen hervorruft.

Vergleicht man die Ergebnisse der biologischen Wertungsmethoden mit der Frage der Wirksamkeit am Menschen, so ergibt sich eine relativ gute Übereinstimmung. Die klinische Wirksamkeit der am Tiere ausgewerteten Digitalisdroge wurde ausführlich geprüft von Gilchrist und Lyon (Gilchrist and Lyon, J. of Pharm. 1927, Bd. 31, S. 319.). Die Änderung der Pulsfrequenz nach massiven Gaben ist ein guter menschlicher Test zur Bestimmung der toxischen Wirkung. Andrerseits hat natürlich auch beim Menschen die Digitalis eine große Streuung in ihrer Wirkung. Mit Unterschieden von ± 25% ist zu rechnen.

Chemische Methoden:

Die chemischen Methoden zur Ermittlung des Glykosidgehaltes der Digitalispflanzen werden von Lendle (Lendle, i. Heffter-Heubners Handb. d. exp. Pharm., Ergänzungswerk Bd. 1.) kurz besprochen. Da sie für die praktische Verwertung ohne Bedeutung sind, sollen sie hier übergangen werden.

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Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.