Sorbus. Eberesche, Vogelbeerbaum. Rosaceae.
Name: Sórbus aucuparia L. (= Pirus aucuparia Gaertner, = Mespilus aucuparia All., = Aucuparia silvestris Medikus). Eberesche, Vogelbeerbaum. Französisch: Sorbier des oiseleurs, thymier; englisch: Quick-beam, mountain-ash, cowantree, witchen, witchwood; italienisch: Sorbo selvatico, sorbo degli uccellatori; dänisch: Rön; litauisch: šermukšnis; norwegisch: Rogn; schwedisch: Rönnbär; tschechisch: Jeřáb obecný; ungarisch: Beekenye.
Weiteres Vorkommen: Westsibirien. In Nordamerika kultiviert
Namensursprung: Sorbus ist ein alter, schon bei Cato und Plinius für Sorbus domestica und Sorbus torminalis gebrauchter Name; aucuparia vom lateinischen aucupari = vogelstellen wegen des Gebrauches der Beeren beim Vogelfang. Der erst vom 16. Jahrhundert an gebräuchliche Name Eberesche ist wohl, falls man von einem Zusammenhang mit dem irischen ibar = Eibe, Eberesche absieht, am wahrscheinlichsten als "Aber" esche (d. h. unechte Esche) in bezug auf die escheähnlichen Blätter zu deuten.
Volkstümliche Bezeichnungen: Aewischen (Sachsen: Wurzen), Aebsche, Ebsche, Absche (Nordböhmen, Sachsen), Abschbeere (Riesengebirge, Teplitz), Ebisch-, Ebschbeeren (Sachsen). Andere Zusammensetzungen mit Esche sind Moosesch, Stinkesche (St. Gallen), Wielesche, zu "wüelen" = üppig wachsen (Schweiz), Schwi(n)-Esch, zu Schwein (Schweiz), Haweresch, Früchte um die Haferernte reifend (niederrheinisch, bergisch), wilde Esche (Oberwallis), Aschekirsche (bergisch). Mit Beziehung auf die Früchte, die gern von gewissen Vögeln gefressen werden, heißt der Baum bzw. die Frucht: Vogelbeeren (in verschiedenen Mundarten), Vogelkirsche (besonders fränkisch), Drosselbeeren (Ostfriesland), Merlekisch = Amsel- (bergisch), Kransvogelbeen (Ostfriesland), Kramtsbeerbaum (Westfalen: Rhoine), Krammetskiesch (Niederrhein), Gimpelbeer (Kärnten), Kreienbeen = Krähenbeeren (Bremen), Krackenbeer, Krackjene (Goms im Wallis). In manchen Gegenden hält man die Früchte auch für verdächtig oder doch für ungenießbar, daher Chrottabeeri (St. Gallen), Düwelski(a)schen (bergisch), Judekirsch (Lothringen). Auf den unangenehmen fauligen Geruch der Blüten gehen Stinkholz (Elsaß), Stinkfulen (Schleswig), Faulbaum (Niederösterreich), Faulbeer (bayrisch-österreichisch), Faulischbeer (Tirol).
Botanisches: Der bis 16 m hohe Baum mit lockerer rundlicher Krone ist eine der anspruchslosesten europäischen Holzpflanzen, die auf jeder Unterlage fortkommen. Am üppigsten gedeiht er auf frischen sandig-lehmigen oder lehmigen und kalkreichen Böden nordexponierter Standorte. Er vermag sehr viel Schatten zu ertragen und behält auch im Kampfe mit den üppigen Schlagpflanzen immer die Oberhand. Seine Blätter sind unpaarig gefiedert, im Herbst dunkel-blutrot. Die länglich-lanzettlichen Blättchen sind ungleich-stachelspitzig-gesägt. Die weißen, stark duftenden Blüten bilden vielblütige Doldentrauben. Die erbsengroßen, kugeligen, roten Früchte sind herb, sauer und für den Menschen ungenießbar. Dagegen hat die aus Mähren stammende Varietät dulcis größere, eßbare Früchte. Blütezeit: Mai bis Juni. Die Eberesche ist ein beliebter Straßenbaum.
Geschichtliches und Allgemeines:
Der Gebrauch der Beeren der Hauseberesche, Sorbus domestica, als stopfendes und adstringierendes Mittel geht bis Hippokrates zurück, während der Vogelbeerbaum, Sorbus aucuparia, im Altertum unbekannt war. In der germanischen Mythologie war die dem Gewittergotte Donar geweihte Eberesche ein bekannter Baum, worauf noch manche Sitten, so z. B. die westfälische, nach der man in der Walpurgisnacht Ebereschenzweige über die Haus- und Stalltüren steckt. um die Drachen fernzuhalten, hinweisen. Auch wird in manchen Gegenden die kranke Ziege, das Tier des Donars, mit den Blättern des Baumes gefüttert. Karl der Große empfahl den Anbau der Eberesche, deren Beeren als Fructus sorbi (Baccae aucupariae) im späteren Mittelalter offizinell waren. Die frischen Beeren wurden viel als Abführmittel genossen.
Auch heute noch spielen die Vogelbeeren unter den Heilmitteln des Volkes eine wichtige Rolle. So wird ihnen in einigen Gegenden eine günstige Wirkung bei Lungenkrankheiten zugeschrieben, ebenso wird eine starke Abkochung in der Veterinärheilkunde gegen Lungenseuchen des Rindviehes gebraucht. Bei den Slowaken wurde früher aus den Beeren ein starker Branntwein hergestellt, der löffelweise gegen Dysenterie genommen wurde. Die Blüten werden öfters als Tee verwendet, die Beeren mit Zucker eingemacht als Kompott genossen, sowie zur Herstellung eines Likörs (auch der russische Wodka soll Vogelbeerenbranntwein enthalten) benützt. Ferner dienen die leuchtend roten Beeren, die ein beliebtes Vogelfutter sind, als Lockmittel beim Vogelfang, das Laub als Futtermittel für Ziegen und Schafe. Das Holz wird zu Drechslerarbeiten benutzt.
Wirkung
Lonicerus (Lonicerus, Kreuterbuch, 1564, S. 113.) verwendet die Vogelbeeren bei Leberleiden, Nierenschmerzen und Wassersucht.
Osiander (Osiander, Volksarzneymittel, S. 97, 168, 236.) nennt den Beerensaft als Spezifikum bei Hydrops, die Beeren bei Stickhusten und in gärendem Zustande als mildes Purgans. Nach Schulz (Schulz, Wirkg. u. Anwendg. d. dtsch. Arzneipfl., S. 217.) sollen die Beeren diuretisch wirken und auch bei leichteren Darmkatarrhen mit Nutzen angewandt werden.
Künzle (Künzle, Salvia 1921, S. 7.) empfiehlt den Absud der Beeren zum Gurgeln bei Heiserkeit, auch infolge von Überanstrengung.
Die Wirkung der Vogelbeeren beruht im wesentlichen auf dem Gehalt an dem Gerbstoff Sorbitannsäure, außerdem sind im Fruchtfleisch zahlreiche organische Säuren, wie Äpfel-, Zitronen-, Bernstein-, wohl auch Weinsäure, ferner Sorbinsäure und die giftige Parasorbinsäure enthalten (Thoms, Handb. d. pr. u. wiss. Pharm., Bd. V, S. 1015.), die die Wirkung auf Darmkatarrhe etwa analog der Wirkung der Heislerschen Apfeldiät bedingen.
Außerdem besitzen die Beeren der Eberesche noch einen hohen Gehalt an C-Vitamin.
Die Samen enthalten etwas Amygdalin (Vgl. 5).).
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Dänemark: Innerlich gegen Durchfall und als Diuretikum.
Litauen: Die frischen Beeren werden gegessen oder, als Getränk mit Honig zubereitet, gegen schmerzhafte Verhärtungen des Magens getrunken. Das Blüteninfus findet bei Lungenentzündung Verwendung.
Norwegen: Innerlich bei Wassersucht und als Breiumschlag bei Beinbruch und offenen Wunden (I. R.-K.).
Steiermark: Magenheilmittel.
Ungarn: Bei Darmruhr.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Sorbus aucuparia wird als mildes Purgans, Diuretikum und bei Rheumatismus verordnet. Recht gute Erfolge sollen auch bei Nephrolithiasis erzielt worden sein.
Das Mittel, das bekanntlich schon von v. Haller zum Dauergebrauch bei Tuberkulose empfohlen wurde, wird nach Nippert, Seelow, besonders bei allen mit Fieber verbundenen Affektionen der Lunge und des Rippenfelles genannt. Die besondere Wirkung auf die Lunge erklärt Nippert damit, daß anscheinend die Ausscheidung des wirksamen Agens durch die Atmungsluft wie bei Knoblauch geschieht.
Angewandter Pflanzenteil:
Matthiolus, Hippokrates, Osiander, Künzle und Ferd. Müller nennen die Vogelbeeren, d. h. die Früchte.
Thoms erwähnt auch die Blätter und Schulz neben den Früchten auch die Blüten.
Dosierung:
- Übliche Dosis:
Maximaldosis:
Rezepte:
Bei Nephrolithiasis und als Diuretikum:
- Rp.:
1 Teelöffel voll wiegt etwa 4 g. Es empfiehlt sich, den Tee kalt unter Verwendung von etwa ½ Teelöffel voll auf 1 Teeglas herzustellen.).
Bei Nierensteinen, Harnbeschwerden und Durchfall (nach Dinand):
Bei Nephrolithiasis (nach Ulrich):
- Rp.:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.