Nessel.

Brennessel (Urtica), die Blüthen dieser unter dem Artikel Nessel besonders abgehandelten Pflanze gibt einen Thee, welcher gegen kolikartige Schmerzen ausgezeichnete Dienste leistet.

Wenn man aus den äußeren Blättern und Stielen dieser Pflanze ein Süppchen bereitet, so leistet dieß ausgezeichnete Dienste in ruhrartigen Fällen.

Gegen den weißen Fluß sind die Blüthen der weißlichblühenden Nesel schon oft mit Erfolg angewendet worden.


Nessel, (Urtica), Gatting der Familie Nesselgewächse; 1 oder 2häusig, bei den männlichen Blüthen ist die Geschlechtshülle kelchartig 4theilig, 4 Staubgefäße, Ansatz zu einem Fruchtknoten. Weibliche Blüthen kelchartig, 4blätterige Geschlechtshülle, freier, 1fächeriger und 1eiiger Fruchtknoten, in der Geschlechtshüllse eingeschloßene Schliessfrucht. Aehrige oder traubige Blüthen, oder Blåuthensträuße, oder Blüthentöpfe oder Knäuel.

Arten: Zweihäusige N., große Brennessel (U. dioica), lange hielt man diese überall wachsende Pflanze für ein bloßes Unkraut, und achtete sie gar nicht, jetzt aber schätzt man sie wegen ihres manigfachen Nutzens höher. Die Wurzel dauert viele Jahre aus, wuchert selbst im schlechtesten Boden ungeheuer um sich, und macht denselben nach und nach fruchtbar. Im Frühling treibt sie einen 3-4 Fuß hohen, ästigen Stengel mit herzförmigen Blättern, welche sehr feine, haarförmige Stacheln haben, die durch das Vergrößerungsglas als Röhrchen erscheinen, an deren untersten Theile, mit welchem sie auf dem Blatte sitzen, Bläschen mit Feuchtigkeit sich befinden, die gleich den Stichen der Bienen und Webpen ein empfindliches Jucken und Brennen verursachen, wenn sie noch frisch bei der leichtesten Berührung in die Poren der Haut eindringen. Die Nessel wird auf verschiedene Weise benützt. Grün und gedörrt ist sie ein vorzügliches Futter für Milchkühe und Schafe, weshalb ihr Anbau auf schlechten Ackern sehr empfahlenswerth ist, zumal sie jährlich dreimal gemäht werden kann und den Boden sehr verbessert. Jung ist sie für junge Gänse und Enten sehr nahrhaft und gesund, und selbst als Salat und Spinat sind junge Blätter und Sprossen eßbar. Ein Absud des Krautes und der Wurzel gibt eine gelblichgrüne Farbe, mit welcher man in Schweden die Eier färbt. Ist der Same reif und beginnen die Stacheln schwarz zu werden, so schneidet man sie ab, bearbeitet und röstet sie und macht daraus die dauerhaftesten Taue, Stricke, Netze, Leinwand etc. In der Picardie in Frankreich machte man ein sehr feines Gewebe daraus, brachte es unter dem Namen Nesseltuch in Handel, welche Benennung nun verschiedene feine leinene und baumwollene Tücher führen. Fütter man Pferden nur acht Tage eine mäßige Quantität Nesselsamen, so werde sie sehr fett und schön, was bis jetzt nicht allgemein bekannt ist und von pfiffigen Pferdehändlern als Geheimnis betrachtet wird; sie werden auch munter davon und ist er eine wahre Arznei für dieselben. In Schleimhusten und Engbrüstigkeit äußert sich die N. sehr blutreinigend und zertheilend. Der frischen N. bedient man sich zur sogenannten Urtication bei Lähmungen. Dr. Petermann sagt darüber: "Ehedem waren die Blätter unter dem Namen großes Brennesselkraut (Herba Urticae majoris) als blutreinigend, auflösend, vörzüglich gengen Brustkrankheiten, Blutspeien, Gelbsucht, Hämorrhoiden u. s. w. und die Früchte unter dem Namen große Brennesselsamen (Seminae Urt. maj.) als ein schleimiges, einhüllendes Mittel in der Heilkunde gebrüchlich; jetzt dient der frisch ausgepreßte Saft nur noch als Volksmittel in den eben angeführten Krankheiten; verdient alle Beachtung. Auch die Wurzel war sonst als Volksmittel gebräuchlich.

Die weiße N. Die weißen Blumen mit den Blättern (die frischen sind wirksamer als die getrockneten) werden in Theeform benützt gegen den gutartigen weißen Fluß. Auch bei sparsamen Uriniren mit Drang dazu verbunden, soll dieses Mittel gute Dienste leisten. (It's probably white deadnettle, Lamium album. -Henriette)

Die kleine N., Eiternessel (U. urens), wächst in Gärten und auf Aeckern als lästiges Unkraut, hat kleine Blätter, und wird 1 Fuß hoch. Das etwas säuerlich und kühlend schmeckende Kraut und die Früchte werden in der Heilkunde wie von der vorigen Art benutzt. Das trockene Kraut wird von Lungensüchtigen mit Vortheil als Thee getrunken.

Römische N., Pillennessel (U. pilulifera), brennborstig, ist 2 Fuß hoch, sehr ästig, und im südlichen Deutschland zu Hause. Ihr Samen wird bisweilen als urintreibendes Mittel angewendet. Blüht vom Juni bis Oct. und hat schleimig-ölige Schließfrüchte, welche früher als (Sem. Urt. romanae) officinell waren.

Hanfnessel (U. cannabina), wächst in Sibirien, wird 5-6 Fuß hoch, hat feingeschnittene lappige Blätter, und läßt sich in ihren Stengeln wie Hanf bearbeiten.


Das große illustrirte Kräuter-Buch, 1860, geschrieben von Dr. Ferdinand Müller.